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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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eigentümliche und interessante Anomalität des
Meeresbodens einzufangen?
    »Irgendeine Cnidarien-Art?«, fragte Dave.
    »Ich glaube nicht. Vielleicht sollten wir etwas höher
steigen und dann auf das nächste Exemplar mit nach oben
gerichteten Antriebsschrauben runterschweben.«
    »In Ordnung.«
    »Aber konzentrieren Sie sich bitte.«
    Seine Lippen bewegten sich lautlos. Ich wandte meinen Blick von
seinem Gesicht auf die beleuchtete Fläche unter uns, dann wieder
zu seinem Gesicht zurück.
    Wir stiegen sechs Meter und ließen uns durch die enge
Schlucht treiben. Als die Wände allmählich flacher wurden
und zurückwichen, schwebten wir an einer einsamen,
zerklüfteten Lavasäule vorbei. Alles war mit Schlick und
Bakterienflocken bedeckt. Nichts bewegte sich, abgesehen von den
herabrieselnden Flocken des Bakterienschnees. Die schwarze Tiefe war
reglos und leer, versunken in einer Millionen Jahre währenden
Stille.
    Als ich die Hand innerhalb des Datenhandschuhs drehte, reagierte
der Greifarm damit, dass er mit einem Knirschen vorwärts
stieß.
    »Vorsicht!«, warnte Dave.
    Ich wollte ihm sagen, er solle zur Hölle fahren, aber er
hatte Recht. Immer mit der Ruhe. Konzentrier dich!
    Dave ließ einen kräftigen Furz los.
    »O Gott! Es tut mir Leid«, murmelte er.
    Sein Gestank, der Gestank eines üppig-grünen Dschungels,
der aber gleichzeitig nach den Blähgasen einer Leiche roch,
drang durch die Kugel. Ich hatte, offen gestanden, noch nie einen
Furz wie diesen gerochen und mich würgte ein Brechreiz.
    »Ich fühle mich gar nicht gut«, erklärte Dave.
»Das kann garantiert nicht von Reis und Paprika
kommen.«
    Meine Verstimmung, ursprünglich allenfalls ein leiser Anflug
von Zorn, verwandelte sich in brennende Wut. Kleine Funken von Ekel
und Frust tanzten wie Glühwürmchen in meinem Kopf herum.
Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Als ich Dave einen
finsteren Blick zuwarf, funkelte er mich aus den Augenwinkeln
bitterböse an, und das gab mir den Rest.
    Wir wandten uns beide ab. Wir waren auf dem besten Weg zu einer
handgreiflichen Auseinandersetzung gewesen, aber in der engen
Passagierkuppel konnten wir nicht aufspringen und aufeinander
losgehen. Also hatten wir uns nur finster angestarrt und waren
übereingekommen, den Rückzug anzutreten.
    Schweiß durchnässte die Achseln meines Unterhemds.
    Das Tauchboot kroch langsam über den Meeresboden. Ich
übernahm die Steuerung der unteren Scheinwerferbatterie und
schwenkte ihre Lichtkegel nach rechts und links.
    Etwas Großes, Rundes, Längliches kam in Sicht, das
waagerecht wie ein gebrochener Schiffsmast auf dem Meeresboden lag.
»Was, zum Teufel, ist das?«, fragte ich erschrocken.
    Dave riss mir praktisch den Steuerhebel für die Scheinwerfer
aus der Hand und lachte glucksend auf. »Das ist eine vom Himmel
gefallene Wohnanlage. Sehen Sie genauer hin.«
    Auf dem geheimnisvollen Gebilde wimmelten Muscheln,
Bohrwürmer und Borstenwürmer wie Maden auf einer Leiche
herum.
    »Es ist ein Baumstamm«, sagte Dave. »Von einigen
großen Wäldern, etwa auf der Olympic Peninsula oder auf
Vancouver Island, sind wir ja gar nicht so weit entfernt.«
    »Stimmt.«
    Dreißig, vierzig Meter weiter östlich stießen wir
auf einen weiteren Baumstamm. Eine Eisenkette, die Rinnsale und
Lachen von orangefarbenem Rost auszuschwitzen schien, verband den
Stamm mit mindestens sieben weiteren, die alle vor Leben wimmelten.
Sie mussten sich wohl vor wer weiß wie vielen Jahren oder
Jahrzehnten von einem Floß gelöst haben. Es dauert lange,
bis die Lumpensammler der Tiefsee auf solch reiche Beute
stoßen, aber wenn es so weit ist, kommen die Organismen aus
meilenweiter Entfernung, um an dem Festschmaus teilzunehmen.
    Wir setzten unseren Weg Meter für Meter in Richtung Osten
fort, wobei wir den Rostlachen folgten, bis sie im Schlick
versickerten. Ich schwenkte die Scheinwerfer nach vorn und dann nach
rechts und links, ohne dass Dave Einwände erhob.
    Vor uns wälzten sich Dutzende kleiner, unförmiger
Klumpen über Schlamm und Ablagerungen; es sah aus, als tanzten
Staubmäuse unter einem Kinderbett. Ich schwenkte die gesamte
Scheinwerferbatterie herum, so dass der Meeresboden in taghelles
Licht getaucht war. »Da sind sie«, sagte ich. Dutzende von
Xenos warfen lange Schatten. Träge wie ein wohl genährter
Riesenrochen schwebte die Tauchkapsel über sie hinweg. Unsere
Scheinwerfer erfassten Hunderte, ja Tausende solcher Xenos, die
über den Schlick rollten. Die flüchtigen Spuren, die

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