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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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die Trümpfe in der Hand
hielt.
    »Wie steht es mit Ihrem Nobelpreis?«, fragte
er.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ist mir nicht so wichtig.
Für mich ist er eher auf lange Sicht relevant.« Manchmal,
wenn ich nachts nicht einschlafen konnte, flüsterte ich diese
Worte wieder und wieder vor mich hin, als würde ich Schafe
zählen. Auf lange Sicht. Auf wirklich lange Sicht.
    Ein Butler – schwedisch-blond und ungefähr sechzig
– brachte ein Tablett mit Gläsern und einer Flasche 1863er
Malmsey Madeira. Nachdem er eingeschenkt hatte, reichte Montoya mir
das geschliffene Kristallglas.
    »Es geht um viel mehr als um Nobelpreise«, murmelte
Montoya. Er schloss die Augen zu schmalen Schlitzen, als würde
er jeden Augenblick einschlafen, und beugte den Kopf in den Nacken.
Es war so weit. Mein Schutzengel war im Begriff, sein flammendes
Schwert zu ziehen. »Sie haben eine unwiderstehliche Vision. Wie
kann ich Ihnen helfen, Ihre Arbeit fortzusetzen?«
    Ich zog die Aufnahmen hervor, die die Crew der Alvin im
vergangenen Monat gemacht hatte. Montoya blätterte sie durch,
drehte sie um und betrachtete meine Notizen auf den
Rückseiten.
    »Es gibt einige Orte auf dem Boden der Tiefsee, denen ich
gern einen Besuch abstatten möchte«, sagte ich, »und
einige Probleme, die ich lösen will. Ich möchte das jedoch
im Geheimen tun… Bis ich herausgefunden habe, ob ich ein
ausgemachter Idiot bin oder tatsächlich am Rande einer
Revolution stehe.«
    »Und was springt dabei für mich heraus?«
    »Nichts, das nur Ihnen allein nützen würde«,
sagte ich. »Meine Arbeit ist zum Nutzen aller. Keine Patente,
keine exklusiven Vermarktungsrechte. In dieser Hinsicht bin ich recht
stur. Aber vielleicht – nur vielleicht – kommen Sie in den
Genuss des Privilegs, ein paar hundert Jahre länger zu leben.
Oder tausend. Oder zehntausend.«
    Montoya streckte einen Finger in die Luft und bewegte ihn, so
schien es, im Takt einer unhörbaren Musik. In seine Augen trat
ein verträumter Ausdruck. »Ewigkeit bedeutet die
endgültige Aufhebung von Zeit. Als würde man ewig
stillstehen. Wussten Sie das?«
    Ich schüttelte den Kopf. Philosophie war schon immer meine
schwache Seite gewesen. Warum über gedruckte Worte streiten,
wenn es Tausende von Proteinen und Enzymen gibt, die Verben und
Substantive der lebendigen Biologe, über die man nachdenken und
die man verstehen lernen kann?
    »Wissen Sie, was ich gern machen möchte?« Montoya
starrte über den Plexiglasschutz am Rande der Terrasse hinweg,
hob das Glas mit dem goldenen Madeira und prostete den
Brandungswellen zu. »Ich möchte ein riesiges Raumschiff
bauen. Ich möchte zu anderen Sternensystemen fliegen, die
Gestade neuer Welten betreten und mit allen meinen Freunden meinen
millionsten Geburtstag feiern. Ich möchte meine Füße
in die Fluten unbekannter Küsten tauchen und wunderschönen,
hingebungsvollen jungen Frauen zur Mutterschaft verhelfen.«
    Montoya leerte sein Glas mit einem einzigen Schluck. »Das
nötige Geld habe ich, Hal. Ich habe nur nicht genügend
Zeit.«
    Um zehn am nächsten Morgen hatte ich eine von Owen Montoya
unterschriebene Bürgschaft über drei Millionen Dollar in
der Tasche.

 
Kapitel 8
     
    Der Mary’s Triumph war es gelungen, zwischen drei
gewaltigen Kaminen hindurchzunavigieren. Draußen vor der
Acrylkuppel war die Schwefelwasserstoffkonzentration von einer
minimalen, wenn auch stinkenden Spur bis zu einem für Menschen
toxischen Grad emporgeschnellt. Wo Temperaturen, die denen in einem
Dampfkessel glichen, nicht alles verbrüht hatten, blühte
das Leben. Röhrenwürmer siedelten in wallenden
Büscheln zwischen den Kaminen. Kleine weiße Krebse
krabbelten dort wie Ameisen in einer Wiese umher. Keine
außerirdische Stadt hätte fremdartiger, bizarrer oder
schöner aussehen können.
    Eine Sekunde lang machte ich unmittelbar hinter der dichten
Kolonie der Röhrenwürmer etwas Graues aus, das einer
Schlange ähnelte. Ich versuchte, Daves Aufmerksamkeit darauf zu
lenken, doch bis er den Kopf gedreht und hinübergesehen hatte,
war es verschwunden wie Rauch, der sich in Luft auflöst. Eine
Strömung? Ein Band zusammenflockender Bakterien, das sich im
überhitzten Wasser von irgendwo gelöst hatte?
    »Wir haben ungefähr zwei Stunden«, erinnerte mich
Dave. »Diese Schlote dort müssen fast dreißig Meter
hoch sein.«
    »So was kann hier unten in ein paar Monaten
entstehen.«
    »Trotzdem ist es hier verdammt schön. Eines der
größten Felder, die wir je entdeckt

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