Jäger
haben.« Dave
schüttelte den Kopf. »Aber Sie sind ja gar nicht an
Röhrenwürmern interessiert.«
»Nein, im Augenblick nicht.«
Röhrenwürmer werden leer geboren, dann saugen sie
Bakterien in ihr hohles Inneres und verlassen sich darauf, dass die
Bakterien Sulfide und sämtliche Nährstoffe produzieren, die
sie brauchen. Sie werden ungefähr zweihundertfünfzig,
höchstens jedoch dreihundert Jahre alt. Beeindruckend, aber sie
erhalten ihren Marschbefehl nach wie vor von Mikroben.
Ich suchte nach Zeugnissen einer früheren Zeit, einer Stufe
in der Entwicklungsgeschichte, in der sich der Wirt noch heftig gegen
die Invasoren gewehrt hatte und die Bakterien noch unter eigener
Flagge gesegelt waren.
»Wir müssen unter die Warmwasserwolke«, erinnerte
ich Dave. »Wir sollten etwa hundert Meter weiter nach Osten
fahren. Die Wände scheinen sich dort zu öffnen, die
Vulkanschlote treten jetzt schon seltener auf.«
»Stimmt«, sagte Dave und verglich die Bilder unseres
nach vorn ortenden Sonars mit der Karte des Meeresbodens. Da die
Karte schon ein paar Monate alt war, enthielt sie noch keine
Markierungen des Feldes 37.
Nachdem er unsere Position nochmals überprüft hatte
– dazu nahm er eine Dreiecksmessung zwischen den Impulsen vom
Mutterschiff und von den Antwortsendern auf dem Meeresboden vor
–, schob er den Steuerknüppel langsam nach vorn. Zwei,
drei, vier Knoten; sanft glitten wir durch den Wald aus Schloten,
über Kolonien von Röhrenwürmern hinweg und um tosende,
sprudelnde Geysire herum.
Wir fuhren so dicht an einem der Kamine vorüber, dass wir
unter einem fast zwei Meter breiten Fächer hindurchschwebten,
den der riesige Schlot an einer Seite ausgebildet hatte. Auf dem
Boden des rauen, porösen Fächers hatte sich Wasser
gesammelt, das sich leicht kräuselte und silbern glänzte:
Hier war das überhitzte, mineralreiche Wasser, das sich der
Vermischung mit dem kühleren Wasser vom Meeresgrund widersetzte,
zu Lachen zusammengeströmt, die das Licht unserer Tauchkapsel
reflektierten.
»So dicht an diesen Ungetümen vorbeizuschweben macht
mich jedes Mal höllisch nervös«, bemerkte Dave.
»Als ich noch für die NOAA arbeitete, ist mal einer um ein
Haar auf mich heruntergekracht. Ich hab ihn nur leicht mit einem
Greifarm geschrammt – und wumm, schon kam er
herunter.«
»Das passiert aber nicht oft, oder?«, fragte ich.
»Nicht sehr oft«, räumte Dave ein. »Aber
einmal reicht ja auch. Na ja, scheiß drauf –
’tschuldigung, kack drauf.«
Das klang ganz und gar nicht nach dem zuverlässigen Dave, dem
gläubigen Christ und fest angestellten Piloten von
Tiefseetauchbooten der NOAA. Ich streifte ihn mit einem besorgten
Blick, doch er war zu beschäftigt, es zu bemerken.
Wir schwebten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von einem
halben Knoten zwischen den steilen Wänden des langen, sich
windenden Canyons hindurch. Die Vulkanschlote lagen inzwischen hinter
uns, doch flaumige Bakterienflocken rieselten überall um uns
herum zu Boden und leuchteten im Kegel der Scheinwerfer auf.
Bakterien klumpen in der Regel zu Flocken zusammen und bedecken den
Meeresboden wie ein Teppich. Manchmal reisen sie in einer Riesenwolke
meilenweit herum, bis sie schließlich auf den Meeresgrund
fallen – wie künstliche Schneeflocken von einem
Plastikweihnachtsbaum.
»Sieht viel versprechend aus«, stellte Dave fest. Sein
Arm zuckte. Das kleine Tauchboot kippte zur Seite, so dass er die
Trimmung korrigieren musste. »Puh.«
»Konzentrieren Sie sich«, knurrte ich. Der Anblick, der
sich draußen bot, wurde allmählich interessant. Eine
dünne Schicht zähflüssigen Schlicks bedeckte den Boden
der Schlucht. Ideal.
Ein langes Band, das verschiedene Segmente aufwies und einem
dicken Grashalm ähnelte, schwebte durch die Lichtkegel der
Scheinwerfer. »Dort.« Ich deutete auf den »Halm«.
Dave hatte die Antriebspropeller um hundertachtzig Grad
herumgeschwenkt, um unsere Vorwärtsfahrt zu verlangsamen. Zu
unserer Begrüßung führte der gallertartige Streifen
einen geradezu hektischen Tanz auf, um sich gleich darauf – noch
ehe ich in den Datenhandschuh schlüpfen und den Greifarm
ausfahren konnte – in wirbelndes Gelee aufzulösen.
Ich sah zu, wie seine Einzelteile im Flockenteppich versanken.
»Tut mir Leid«, sagte Dave.
Ich war wütend, und dies, ehrlich gesagt, zu Unrecht. Wie
sonst hätten wir unsere Fahrt verlangsamen können? Wie
sonst hätte Dave die Tauchkapsel manövrieren sollen, um
diese
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