Jägerin der Dämonen (Ein Patricia Vanhelsing Roman) (German Edition)
folgte ein Augenblick des Schweigens. Niemand sagte etwas. Kalter Wind strich zwischen den Bäumen hindurch.
Und der Mond wirkte jetzt wie ein großes Auge, das sie mitleidlos beobachtete.
"Da kommt jemand!" flüsterte eine der Frauen. "Seht nur!"
Von einem nahen Hang kam eine Gestalt mit schnellen Schritten herbei. Als dunkler Schattenriß hob sie sich gegen das blasse Mondlicht ab.
"Wer ist das?" fragte jemand.
Einen Augenblick fiel das Mondlicht so, daß das Gesicht des Ankommenden deutlich zu sehen war.
"Das ist Reverend Meany!" zischte der Mann, der George genannt worden war. Und seine Hände ballten sich dabei zu Fäusten.
"Was will er hier?" fragte die Frau.
"Ich kann es mir denken!" brummte George. "Aber er kommt zu spät... Zum Glück für uns alle!"
Die Gestalt blieb jetzt stehen. Der Mann richtete den Blick auf die Gruppe der wie erstarrt dastehenden Männer und Frauen.
"Was habt ihr getan?" rief er.
"Du bist zu spät gekommen, Meany!" rief George.
Mit eiligen Schritten kam Meany jetzt näher, während die anderen ruhig zusahen, wie der Reverend herannahte. Als Meany die Gruppe erreicht hatte, atmete er tief durch. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte auf den Halbkreis der in den Boden gerammten Pfähle...
"Ihr wißt nicht, was ihr da tut!" flüsterte er.
"Wir tun das, was Sie auch tun sollten, Reverend! Wir bekämpfen das Böse!" erklärte eine der Frauen.
Meany schüttelte den Kopf. "Nein", flüsterte er. "Ganz im Gegenteil! Ihr verhelft dem Bösen zu immer größerer Stärke!"
Verzweiflung spiegelte sich in Meanys Zügen.
*
Der Schein der Straßenlaternen ließ Tom Hamiltons markante Züge etwas weicher erscheinen. Ein Lächeln spielte um seinen Mund und der Blick, mit dem seine graugrünen Augen mich musterte, ging mir durch und durch.
Wir hatten uns in einem der zahlreiche italienischen Restaurants gegenübergesessen, die es in London gab. Jetzt schlenderten wir die Uferpromenade entlang und hatten einen herrlichen Blick auf die Themse und die nächtliche Skyline vom anderen Flußufer. Das Lichtermeer einer Großstadt. Als dunkler Schatten glitt ein großer Frachter flußabwärts.
Es war eine naßkalte Nacht, aber Tom hatte seinen Arm wärmend um meine Schultern gelegt, so daß ich mich dennoch warm und geborgen fühlte.
Wir hatten es nicht sehr eilig.
Auf die Uhr gesehen hatte ich schon seit langem nicht mehr.
Irgendwann blieben wir stehen. Wir sahen uns an und unsere Lippen fanden sich zu einem Kuß voller Leidenschaft.
Ich hatte ein Gefühl, als ob alles in mir sich zu drehen begann. Eine Art Glückstaumel.
Ein rauschhafter Traum, aus dem ich eigentlich nie wieder erwachen wollte.
Ich umfaßte seine Taille.
Wir sahen uns an.
Der Blick dieser grüngrauen Augen hatte noch immer kaum etwas von seiner Rätselhaftigkeit verloren.
"Es war ein wunderbarer Abend, Patricia", sagte Tom mit seiner dunklen Stimme. Seine Hand ergriff die meine und ein wohliger Schauer überlief mich.
"Das fand ich auch", flüsterte ich und schenkte ihm ein verliebtes Lächeln.
Tom Hamilton war seit einiger Zeit bei derselben Boulevard-Zeitung als Reporter angestellt wie ich. Ich hatte diesen großen, dunkelhaarigen Mann von Anfang an sympathisch gefunden, allerdings waren wir uns erst vor kurzem wirklich nähergekommen.
Und nun hatte ich mich unsterblich in diesen geheimnisvollen Mann verliebt.
Den ganzen Abend über hatte ich viel geredet. Es war einfach so aus mir herausgesprudelt. Episoden aus meiner Jugend bei meiner Großtante Elizabeth Vanhelsing, bei der ich seit dem frühen Tod meiner Eltern wohnte und in deren verwinkelter viktorianischer Villa ich bis heute lebte. Er hatte sich sehr für das Archiv interessiert, das Tante Lizzy - wie ich Elizabeth nannte - betrieb. Ein Archiv in dem alles, was an Berichten, Dokumenten oder Büchern zum Thema Okkultismus und übersinnliche Phänomene existierte, gesammelt wurde. Vermutlich hatte Tante Lizzy auf diesem Gebiet eine der größten Sammlungen an seltenen, teils sehr abseitigen Schriften und Presseartikeln, die es im gesamten Vereinigten Königreich gab.
Schon oft hatte sie mir bei Recherchen zu diesem Themenbereich wertvolle Hilfe geleistet. Nicht selten hätte ich ohne sie gar nicht gewußt, wie ich weiterkommen sollte.
Ihr Mann Frederik Vanhelsing war einst ein berühmter Archäologe gewesen, der von einer Forschungsreise in den südamerikanischen Regenwald nicht zurückgekehrt war.
Seitdem war er verschollen.
Ich
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