Jägerin der Dämonen (Ein Patricia Vanhelsing Roman) (German Edition)
sprach sogar über den Tod meiner Eltern, ein Thema, das ich nicht sehr gerne anschnitt, weil es mich innerlich aufwühlte.
Aber Tom vertraute ich.
Nur über eine Sache hatte ich bisher nicht mit ihm gesprochen. Die Tatsache, daß ich über eine leichte übersinnliche Begabung verfügte. Meine seherischen Fähigkeiten zeigten sich in Träumen und tagtraumhaften Visionen. Manchmal auch nur in vagen Ahnungen. Ich war in bestimmten Augenblicken in der Lage, die Abgründe von Raum und Zeit zu überbrücken und Dinge zu sehen, die in der Zukunft, der Vergangenheit oder an entfernten Orten geschahen. Tante Lizzy war es gewesen, die mich auf diese Gabe einst als erste aufmerksam gemacht hatte. Aber ich hatte diese mehr als unheimliche Fähigkeit, fast schon als Fluch empfunden. Langsam nur war es mir möglich gewesen, mich mit ihr zu arrangieren.
Mehr als einmal war ich anderen Menschen begegnet, die über ähnliche, oft viel stärker ausgeprägte Fähigkeiten verfügten. Den meisten war es nicht gut bekommen, sofern ihre Begabung bekannt wurde. Manche von ihnen waren zu Gejagten von Geheimdiensten oder Medien geworden -
anderen hatte es das Leben gekostet, Dinge gesehen zu haben, die sie nicht sehen sollten.
Das Schicksal meiner Mutter, von der ich meine Begabung vermutlich geerbt hatte, war mir in dieser Hinsicht immer eine Warnung.
Ich bin Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt.
Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von
„van Helsing“ in „Vanhelsing“ änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muß es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen?
Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle.
In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.
"Was denkst du?" fragte Tom.
Der angenehme Klang seiner Stimme riß mich aus meinen Gedanken heraus.
"Nichts", sagte ich und schmiegte mich an ihn.
"Du bist auf einmal so schweigsam."
"Und du das genaue Gegenteil, Tom!"
Er lachte. "Ist das ein Vorwurf?"
"Nein, eine Tatsache. Ich rede wie ein Wasserfall und inzwischen müßtest du beinahe meine gesamte Familiengeschichte kennen... Aber ich weiß noch immer so gut wie nichts über dich..."
"Ist das nicht übertrieben?"
Ich sah ihn an. Er zwinkerte mir zu.
"Vielleicht ein bißchen", gab ich zu.
"Haben wir nicht noch so viel Zeit?" erwiderte er lächelnd.
Ich hob die Augenbrauen. "Das weiß man nie, Tom."
Er zuckte die Achseln. "So düstere Andeutungen passen gar nicht zu dir!"
"Irre ich mich, oder weichst du meinen Fragen ein wenig aus, Tom!"
Er nahm mich in den Arm, und wir schlenderten weiter die Uferpromenade entlang.
"Da sieht man, daß du ein journalistischer Profi bist, Patti!" meinte er.
"Wieso?"
"Kein Ablenkungsmanöver entgeht deinem Scharfsinn!"
"Du tust gerade so, als würde ich..."
"...mich ausquetschen", vollendete er scherzhaft. "Ganz recht, Patti. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich jemand fühlt, der so unvorsichtig war, sich von dir interviewen zu lassen."
"Bis jetzt haben es alle überlebt, Tom! Ob du es nun glaubst oder nicht!"
Ich blieb stehen und schaute ihn an. Was wußte ich über ihn? Er war etwa 35 Jahre alt und für eine große Nachrichtenagentur in Übersee tätig gewesen. Keiner in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS hatte sich zunächst erklären können, weshalb jemand, der einen solchen Traumjob hatte, zu einem Boulevardblatt wie die NEWS
ging. Für Tom war das ohne Zweifel ein Karriereknick gewesen. Sein Rauswurf hatte damit zu tun, daß er einige Monate in einem einsamen Kloster verbracht hatte. Pa Tam Ran hieß jener Ort und er lag irgendwo im
undurchdringlichen Dschungel zwischen Laos, Kambodscha und Thailand.
Dort hatte man ihn spezielle Konzentrationstechniken gelehrt, mit deren Hilfe er in der Lage war, sich an seine früheren Leben zu erinnern. Tante Lizzy hatte natürlich sofort weitere Nachforschungen angestellt.
Tom Hamilton jedoch blieb, was diese Sache anging, einsilbig.
Als Kind schon hatte er unter seltsamen Träumen gelitten.
Erst die Mönche von Pa Tam Ran hatten ihm gezeigt, worum es sich dabei wirklich handelte. Um Erinnerungen aus vergangenen Leben.
Ich konnte ihn nur zu gut verstehen.
In
Weitere Kostenlose Bücher