Jägerin der Nacht - Der Anfang (Ein Patricia Vanhelsing Roman) (German Edition)
Motor auf.
Carrington hatte es die ganze Zeit geahnt, aber jetzt wurde es Gewißheit für ihn.
Der Kerl meint mich! durchzuckte es ihn. Er runzelte die Stirn.
Er nahm sich ein Herz und wollte an den Leichenwagen herantreten, um durch die Seitenscheibe zu sehen. Er mußte wissen, wer diesen Wagen fuhr...
Schließlich war es absurd zu glauben, daß sich ein solches Gefährt von allein bewegte!
Den ersten Schritt hatte er noch nicht gemacht, da ertönte auf einmal ein zischendes Geräusch. Carrington erstarrte. In der Fahrerkabine wurde es vollkommen schwarz. Einem geheimnisvollen Gas gleich, begann sich etwas auszubreiten, daß wie dicker Rauch aussah.
Pure Finsternis!
Carrington schluckte.
Etwas Ähnliches hatte er nie zuvor in seinem Leben gesehen. Er hatte sich immer für einen nüchternen, nur dem Verstand und dem Gesetz verpflichteten Menschen gesehen, der durch übersinnlichen Hokuspokus nicht zu beeindrucken war.
Aber jetzt konnte er nur wie gebannt zusehen...
Schwarzes Licht drang in einem gebündelten Strahl aus der Frontscheibe des Leichenwagens heraus. Carrington wollte im letzten Moment auswichen, doch der Strahl erfaßte ihn voll.
Finsternis hüllte ihn ein. Carrington sah aus wie ein Schattenriß seiner selbst. Das dunkle Etwas, das aus dem Leichenwagen herausgeschossen war, hüllte ihn vollkommen ein.
Für Carrington war es von einer Sekunde zur nächsten eiskalte Nacht. Er konnte nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Er wollte fliehen, einfach wegrennen...
Wohin auch immer.
Er hatte das Gefühl, alles sei besser, als an diesem Ort zu verharren.
Blankes Entsetzen hatte ihn gepackt und zerriß seine Seele.
Panik schüttelte ihn, als er eine Sekunde später feststellte, daß er sich nicht bewegen konnte. Er war wie erstarrt. Wie die Löwen, die Admiral Nelson bewachten.
Nein!
Der Schrei seiner Seele blieb ungehört. Er kam nie über seine Lippen, denn auch die waren unfähig zur geringsten Bewegung.
Und dann hörte er das Fauchen des Motors.
Entfernt erinnerte es an den Laut eines zum Sprung bereiten dunklen Panthers.
Das Geräusch wurde lauter, drohender.
Der Leichenwagen schien loszufahren und auf Carrington zuzuhalten, der dies nur hören, aber nicht sehen konnte. Ein schrecklicher Augenblick der Furcht noch, dann fühlte Harold Carrington nichts mehr. Alle Geräusche verstummten für ihn.
Für immer.
*
Ein großer Menschenauflauf war am Trafalgar Square entstanden. Die Polizei hatte Mühe, die Neugierigen etwas fernzuhalten.
"Wahrscheinlich kommen wir viel zu spät", sagte Jim Field, der neben mir, auf dem Beifahrersitz meines roten Mercedes 190 saß. Jim und ich waren bei der LONDON EXPRESS
NEWS angestellt, er als Fotograph und ich als Reporterin.
In der Redaktion waren einige Anrufe eingegangen, denen zu Folge am Trafalgar Square etwas Seltsames geschehen war. Ein Leichenwagen hatte offenbar mit voller Absicht einen Passanten überfahren und war dann verschwunden.
Was dahintersteckte war schleierhaft. Zweifellos fahndete die Polizei zur Zeit nach dem Leichenwagen und sobald man ihn hatte, würde man vielleicht mehr wissen.
Den Mercedes stellte ich in einer Nebenstraße um den Trafalgar Square herum ab. Jim und ich stiegen aus. Er strich sich das ungebändigte blonde Haar zurück und blickte kritisch in den Himmel. "Nicht gerade ein Idealwetter zum Fotografieren!" meinte er.
Er trug verwaschene Jeans und ein ziemlich zerknittertes Jackett, dessen Revers durch die Fototasche ziemlich ruiniert war, die er ständig um den Hals hängen hatte. Das Longjackett, daß er darüber trug wirkte auch schon ziemlich angejahrt. Bei jedem Schritt klapperten irgendwelche Utensilien, die er in den zahlreichen Taschen verstaut hatte.
Er wirkte äußerlich etwas unkonventionell. Das zusammen mit seinem jungenhaften Charme führte manchmal dazu, daß er etwas unterschätzt wurde. Aber er war auf seinem Gebiet ein Spitzenkönner. Einer der Starfotographen der LONDON EXPRESS
NEWS. Wir hatten schon oft zusammengearbeitet und uns dabei ausgezeichnet verstanden. Wir waren Freunde -
allerdings auch nicht mehr, obwohl Jim sich das insgeheim eine ganze Zeitlang gewünscht hatte. Vielleicht tat er das auch noch immer. Aber Jim war einfach nicht das, was ich mir unter einem Traummann vorstellte.
Zusammen gingen wir zum Ort des Geschehens. Ein Teil der Straße war abgesperrt. Der Verkehr wurde auf den verbleibenden Fahrspuren vorbeigeführt. Spurensicherer verrichteten ihr anstrengendes und
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