Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
säße er in meinem Kopf und wüsste genau, welche Bewegung ich als Nächstes machen würde – doch kein Nachtwandler konnte meine Gedanken lesen, ohne dass ich es registrierte. Ich spürte unfehlbar ihre Anwesenheit.
Panik ergriff von mir Besitz, während mir der Schweiß über Stirn und Wangen lief. Das Herz hämmerte in meiner Brust, und ich packte den Schwertgriff fester. Er war zu schnell für mich – mit herkömmlichen Mitteln war da nichts auszurichten. Verdammt, ich kam ja nicht mal an ihn ran! Seit der Ankunft der Naturi war irgendwas anders, seit jenem Moment, als seine Augen sich von Himmelblau zu Rubinrot verfärbt hatten. Ich wusste nicht, wie, aber auf irgendeine Weise hatte der Vampir die Energie in sich aufgesogen, die mich umgeben hatte, bevor die Naturi auf den Plan getreten waren.
Ich musste ihn töten, bevor er sich endlich doch entschloss, mich umzubringen. Indem ich einen Schritt zurückwich, senkte ich leicht das Schwert und reckte dem Vampir die entblößte Linke entgegen. Zu meiner Überraschung wurde sein Grinsen noch breiter, als ich die Kraft heraufbeschwor, die in mir brodelte. Neue Energie durchströmte meinen Körper, und tief in mir brüllte etwas vor Vergnügen. Meine Macht entlud sich stoßartig und prallte gegen den Vampir. Er legte den Kopf in den Nacken und stieß ein irres Lachen aus.
Und dann erlosch das rote Glühen in seinen Augen. Welche Macht auch immer für diesen kurzen Zeitraum von ihm Besitz ergriffen haben mochte, jetzt hatte sie ihn verlassen. Der Nachtwandler strich sich panisch über Brust und Arme, während er stolpernd vor mir zurückwich, doch es war zu spät. Seine Haut begann Blasen zu werfen und sich schwärzlich zu verfärben. Ich hatte bereits begonnen, das Blut in seinem schlanken Körper zum Kochen zu bringen, und nun gab es keine Rettung mehr. Der Vampir stieß einen schrillen Schrei aus, als er in die Knie brach. Er zerkratzte sich mit den Klauen das Gesicht und riss Fleischklumpen heraus, bis er schließlich zu einem verkohlten Häuflein zusammensackte. Ascheflocken trieben mit dem Wind davon.
Ich biss die Zähne zusammen, lenkte die Kraft in meinen Körper zurück und brachte die Energie mühevoll wieder unter Kontrolle. Nur wenn ich ihr freien Lauf ließ, konnte ich in den langen Jahrhunderten einmal in meiner Wachsamkeit nachlassen, doch ich musste diese Macht sorgsam beherrschen. Der Drang zu töten wuchs in dem Maß, wie mein Körper sich entspannte, bis ich das Gefühl hatte, ich müsste mich auf die erste Kreatur stürzen, die mir in die Quere kam, egal ob Nachtwandler oder unschuldiger Mensch.
Ich sog tief die reinigende Luft ein, während ich die Macht wieder sicher an meine Seele fesselte, wie eine Schlange, die sich um ihre Beute windet, und auch die Furcht beiseiteschob. Die Furcht, dass ich die Kontrolle über diese heimtückische Kraft verlieren und wahllos töten könnte.
Ich fuhr mit einer zitternden Hand durch mein Haar und schob das Schwert wieder in die Scheide auf meinem Rücken. Gerade fragte ich mich, wie ich die Leiche loswerden sollte, als sich aus dem kalten Nebel rund um den Brunnen ein weißer Schimmer erhob. Ich machte ein paar Schritte darauf zu und legte die Rechte auf den Schwertknauf. Ich hatte keine Ahnung, was ich da sah. Ein Naturi des Lichtclans? Aber ich spürte keine Naturi in der Umgebung.
Die Energie, die die Luft durchströmte, fühlte sich wie die vertraute Aura eines Nachtwandlers an, und doch war es keiner. Langsam bildeten sich im Licht die Umrisse eines Mannes heraus. Er war über eins achtzig groß, hatte blassblondes Haar und hellblaue Augen. Dann entfalteten sich mit einem blendenden Aufblitzen, gegen das ich meine Augen abschirmen musste, zwei weiße Flügel hinter seinem Rücken, die sicher mehr als vier Meter Spannweite hatten.
Ich riss das Schwert vom Rücken und wich zurück. Mir stockte der Atem. Er fühlte sich an wie ein Vampir, hatte aber Flügel wie ein Naturi des Windclans. Beide Gruppierungen waren nicht gerade meine besten Freunde, und beide wollten mir an den Kragen.
»Halt ein, Danaus!«, sagte die Gestalt mit tiefer, donnernder Stimme. »Ich will dir nichts Böses.« Er hob eine Hand, und ich trat mit abwehrender Miene einen Schritt zurück.
»Wer bist du?«, blaffte ich, immer noch zum Angriff bereit.
Ein gütiges Lächeln erhellte seine Züge. Er sah froh und friedvoll aus. »Ich bin dein Schutzengel«, verkündete er. »Gaizka.«
Meine Arme begannen leicht zu zittern,
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