Jägerin des Herzens
gefühlt.
»Geschieht mir recht«, murmelte sie, während sie die Treppe hinaufstieg. Ihr Butler, Burton, beobachtete sie von der Schwelle aus. »Wie konnte ich nur so etwas Idiotisches machen.« Es war nicht ratsam, in der Themse, in die der ganze Abfall von London geworfen wurde, schwimmen zu gehen. Ihre Kleider und ihre Haut stanken entschieden unangenehm. Ihre Füße in den nassen Schuhen quietschten bei jedem Schritt. Das seltsame Geräusch, verbunden mit ihrer Erscheinung, bewog Burton dazu, die Augenbrauen hochzuziehen. Das war ungewöhnlich für Burton, der ihre Eskapaden normalerweise mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck über sich ergehen ließ.
In den letzten zwei Jahren war Burton zur beherrschenden Figur in ihrem Haushalt geworden. Er bestimmte über Dienstboten und Gäste gleichermaßen. Wenn er Besucher in ihrem Haus willkommen hieß, so vermittelten seine untadeligen Manieren, dass Lily eine wichtige Persönlichkeit war. Er sah über ihre Verrücktheiten und Abenteuer hinweg als ob es sie nicht gäbe, und behandelte sie wie eine untadelige Lady, obwohl sie sich selten so benahm.
Lily wusste sehr wohl, dass ihre Dienstboten sie keineswegs respektieren würden, wenn Burton nicht darüber wachen würde. Er war ein großer, kräftiger Mann mit einem eisengrauen Bart, der ein strenges Gesicht umrahmte.
Kein anderer Butler in England besaß diese Kombination aus Arroganz und Ergebenheit.
»Ich nehme an, Ihr habt das Fest auf dem Fluss genossen, Miss?«, fragte er.
»Es war großartig«, erwiderte Lily und versuchte, fröhlich zu klingen. Sie reichte ihm das tropfende Stück Samt an dem immer noch die rosafarbene Feder hing. Ausdruckslos starrte er auf das Objekt. »Mein Hut«, erklärte sie und schlüpfte ins Haus, wobei sie eine nasse Spur hinterließ.
»Miss Lawson, ein Gast wartet auf Euch im Salon. Lord Stamford.«
»Zachary ist hier?« Lily war entzückt über die Nachricht. Zachary Stamford, ein sensibler und intelligenter junger Mann, war ihr seit langem ein lieber Freund. Er war in ihre jüngere Schwester Penelope verliebt. Leider war er der dritte Sohn des Marquis von Hertford, so dass er weder einen Titel noch genug Geld erben würde, um die ehrgeizigen Pläne der Lawsons zu befriedigen. Da es offensichtlich war, dass Lily niemals heiraten würde, konzentrierten sich die gesellschaftlichen Träume ihrer Eltern auf ihre jüngere Schwester, die mit Lord Raiford, dem Earl von Wolverton verlobt war … einem Mann, den Penelope noch nicht einmal besonders gut kannte. Und Zachary litt über die Maßen.
»Wie lange ist Zachary denn schon hier?«, fragte Lily.
»Seit drei Stunden, Miss. Er sagte, es ginge um eine dringende Angelegenheit und er würde so lange wie nötig warten, um Euch zu sehen.«
Lilys Neugier war geweckt. Sie blickte auf die geschlossene Tür des Salons, der zwischen den beiden Treppen ins Obergeschoss lag. »Dringend, hmm? Ich gehe sofort zu ihm. Ähm … schick ihn nach oben in mein Wohnzimmer.
Ich muss aus diesen nassen Sachen raus.«
Burton nickte ausdruckslos. Das Wohnzimmer, das ein kleiner Vorraum mit Lilys Schlafzimmer verband, war Lilys engsten Freunden vorbehalten. Nur wenige durften es betreten, obwohl schon unzählige Leute darum gebeten hatten. »Ja, Miss Lawson.«
Zachary hatte es nicht als schlimm empfunden, in Lilys Salon zu warten. Trotz einer Erregung musste er zugeben, dass ein Mann sich in Grosvenor 38 wohlfühlen konnte. Vielleicht hatte es etwas mit der Farbwahl zu tun. Bei den meisten Damensalons waren die Wände in modischen Pastelltönen gestrichen – hellblau, rosafarben oder gelb, verziert mit weißen Friesen und Säulen. Unbequeme kleine vergoldete Stühle mit glatten Kissen waren modern.
Stühle und Sofas hatten so dünne Beinchen, dass sie so aussahen, als könnten sie ein wirkliches Gewicht überhaupt nicht tragen. Lilys Reihenhaus jedoch war in üppigen, warmen Farben gehalten, mit soliden Möbeln, die einen Mann geradezu dazu einluden, die Füße hochzulegen. An den Wänden hingen Jagdstiche und ein paar geschmackvolle Porträts. Häufig trafen sich Schriftsteller, Exzentriker, Dandys und Politiker in ihrem Haus, obwohl man nie vorhersagen konnte, ob Lily genug alkoholische Getränke bereithielt – manchmal hatte sie zu viel, und manchmal war es erstaunlich wenig.
Diesen Monat jedoch war Lily äußerst gut versorgt denn eines der Hausmädchen brachte Zachary auf einem Silbertablett eine Karaffe mit gutem Brandy und ein Glas. Sie bot
Weitere Kostenlose Bücher