Jagd in die Leere
mir. Ich durfte Gymnastik machen und hatte Bücher, und dann erzählten sie mir davon, daß ich jemand finden müßte. Einen Mann. Es wurde von mir erwartet, daß ich etwas tat. Einer würde da sein, der mich verfolgen würde. Der Verfolger. Du. Und so ging ich hinaus, um zu sehen …«
»Du hast ihn nicht gefunden.«
»Nein«, sagte sie gelangweilt. »Ich habe ihn nicht gefunden. Aber du hast mich gefunden. Warum erzähle ich dir alles überhaupt? Was geht hier vor?«
»Hör nicht auf. Erzähl mir alles, was du über die Sache weißt. Was weißt du über mich?«
»Daß man von dir erwartet, mich zu verfolgen und zu bedrohen. Daß du mich auf Trab hältst Mich dazu bringst, diesen Mann zu finden. Aber ich bin müde und fühle mich schlecht, und ich möchte, daß du mich tötest, weil es keinen Unterschied macht, wenn du das tust. Das ist alles, was ich zu sagen habe«, sagte sie. »Ich bin am Ende. Ich will, daß du gehst.«
»Bei mir waren es die Wächter.«
»Wächter?«
»Sie waren ebenfalls Erd-Invasoren, aber anstatt die Menschen auszurotten, nahmen sie ihnen nur das Erinnerungsvermögen und steckten sie in Zellen. Sie ließen mir Gedichtbände zum Lesen.«
»Das sagtest du schon.«
»Aber ich habe alles gesagt«, sagte James, er heul te auf und schlug seine Faust gegen die Wand. »Verstehst du das nicht? Alles ist gesagt worden. Sie erzählten mir, daß du draußen seist, um einen Mann zu finden. Daß es meine Aufgabe sei, dir auf den Fersen zu bleiben; dich zu bedrohen und wieder zu bedrohen und endlich zu töten. Aber wir können es dadurch nicht aus der Welt schaffen. Das können wir nur, wenn wir uns aussprechen. Ich sage dir, wenn wir so weitermachen, können wir jetzt dem ganzen Spuk ein Ende machen.«
»Warum?« sagte sie. »Warum es beenden? Sie brauchen uns nur aufzuspüren und uns beide zurückzuholen. Und ich würde lieber tot sein.«
»Nein«, sagte er mit Nachdruck. »So muß es nicht unbedingt kommen. Sie können uns nicht finden, und sie können uns nicht wegschleppen. Wenn wir erst einmal verstehen, was hier wirklich vorgeht, können sie uns nichts mehr anhaben. Ich weiß, was läuft. Ich weiß es jetzt.«
»Wunderbar«, sagte sie ausdruckslos, und er sah, daß ihre Augen flach geworden und in ihre Höhlen zurückgetreten waren; das Gesicht wirkte nun steinern: Er war ihr noch kein bißchen nähergekommen. Nichts von dem, was er gesagt hatte, war für sie von Bedeutung. Aber er mußte weitermachen, eben weil er es jetzt erkannt hatte, aber damit begann auch der Wahnsinn, der endgültige Wahnsinn, der Wahnsinn reinsten Wassers, der sie beide aus dem Geschehen hinausschleudern würde, hinein in eine Sphäre, wo sie beginnen konnten, nur beginnen konnten, einen Sinn in die Sache hineinzubringen, indem sie die Fragmente des Irrsinns zusammensetzten.
»Wir müssen wirklich aufhören«, sagte er. »Es füllt einen nur mit Machtphantasien und psychischen Verdrängungen. Es ist das gleiche wie Masturbation, nur schlimmer, weil man noch nicht einmal das Gefühl einer potentiellen Verbindung untereinander hat, und dann in einer Patsche wie dieser sitzt.«
Schaudernd, weil er es nicht tun wollte, und fühlend, wie sein Grauen auf das ihrige traf, streckte er die Hand aus und umfaßte ihr Kinn, wobei ihre Augen wieder ausdruckslos wurden. Sie sah ihn mit der Wildheit eines Tieres an, das sich in einer Fallgrube gefangen hatte, die Augen brachen einen entfernten Lichtschein, der Atem ging kurz und stoßweise. Sein Gesicht senkte sich über das ihre, als versuche er, sie zu küssen, hielt dann aber einige Zentimeter über ihr in der Bewegung inne und blickte in die unergründliche Tiefe ihres Gesichts.
Sie versuchte verzweifelt, durch Drehen und Wenden ihres Kopfes seinem Griff zu entkommen, aber er drang mit dem Daumen in ihren Mund, ohne ihr wehtun zu wollen, nur um sie in Schranken zu halten. Sie stöhnte und bewegte sich nicht mehr, ihr Körper krümmte sich und sah jetzt so unbeholfen aus wie ihr entstellter Kiefer; ihre Schultern zitterten leicht, ihre Augen schlossen sich, ihr Hals war steif und angespannt.
»Schau mich an«, sagte er. »Schau es dir an. Sieh es umfassend und klar.«
Sie seufzte wieder, und es durchlief sie ein starkes Schaudern. Dann öffnete die Frau ihre Augen und sah ihn an.
Jeder sah den anderen.
Neunzehn
DRINNEN:
»Sieh nur«, rief einer der Touristen in einem hohen, pfeifenden Tonfall, »es geht jetzt los. Es geht jetzt wirklich los. Seht, seht, seht
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