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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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seines Selbst erfaßt, weil er einfach nicht den Mumm dazu gehabt hatte. Jetzt hatte er ihn, dem Himmel und den Wächtern sei Dank. Nein, es hatte keinen Sinn, etwas zu konstruieren, man konnte überhaupt nichts von dieser elenden Kacke verwenden; man mußte ohne große Umschweife auf den Kern der Sache vorstoßen, ob es sich um ein Gedicht drehte oder um etwas zu essen oder – Gott behüte – man ein Mädchen aufs Kreuz legte; man mußte sich auf ein Objekt konzentrieren und all das verdammte Zeug drumherum in den Brennpunkt ziehen. Die ersten Konzepte waren eher »poetisch« als lyrisch gewesen, wie es in all den Büchern stand; er war mit fliegenden Fahnen zur schöngeistigen Ausdrucksweise übergelaufen, nur weil er nicht genug Mumm in den Knochen gehabt hatte, um an sich runterzuschauen und zu sagen: So bin ich, hier steh ich, mein Lieber. Die Bücher hatten ihm echt weitergeholfen, daran gab es keinen Zweifel. Aber das lag alles in der Vergangenheit – sechs Wochen? Sechs Monate? Wer wußte das schon? –, und jetzt hatte er seinen Weg gefunden. Tatsächlich nahm die Sache langsam Formen an, er würde den Wächtern in den nächsten Tagen ein ausgezeichnetes Gedicht übergeben.
    Es würde ihnen beweisen, daß er nicht irgendwer war, mit dem man herumalbern konnte; oh nein, das war er nicht im geringsten. Das Gedicht würde seine Beziehung zu ihnen klären – das hieß, falls es überhaupt so etwas wie eine Beziehung klarzustellen gab. Und überhaupt: Wer, zum Teufel, waren sie? Das war die Frage. Einen Augenblick lang war er gewesen, wer er war, das tuend, was man von ihm erwartete, aber bereits im nächsten war er in diesem verdammten Zirkus; saß er in einer Zelle und versuchte, Gedichte zu schreiben und sich mit den Büchern zu beschäftigen, die sie ihm zurückgelassen hatten. Mein Gott, war das eine beschissene Situation. Wie eine Invasion der Erde aus dem Weltraum, wobei die fremden Wesen den Menschen die Erinnerung nehmen und zu Robotern ohne jeglichen Sinn für die Vergangenheit machen. Er hatte einst einen ähnlichen Film gesehen, und jedesmal, wenn er jetzt daran dachte, überkam ihn ein Frö steln. Es ergab schon einen Sinn, wenn man die Sache so betrachtete. Was war denn, wenn dies eine Invasion der Erde war und er der letzte Überlebende, den sie zu ihrem Vergnügen, ohne Erinnerungsvermögen, in einer Zelle festhielten? Oder – was noch schlimmer war – wenn alle zwei oder drei Milliarden Menschen (oder wie hoch die Bevölkerungsziffer, zum Teufel noch mal, gerade sein mochte – man war ja heutzutage nie in der Lage, den neuesten Stand der Entwicklung zu kennen) in Einzelzellen steckten, irgendwo, jeder mit Büchern und Nahrungsmitteln und so, und mit ihrem jeweilig größten Talent die Wächter unterhielten; Pächter und Chinesen und Politiker und Schauspielerinnen und Huren und Schwachsinnige und Zeitungsverkäufer und Zuhälter, alle unter der Erde wie in Honigwaben lebend. Das wäre was. Das wäre nun wirklich mal was, wenn es wahr wäre.
    Aber er konnte sich mit diesen Gedanken nicht so recht anfreunden. Falls es stimmte, so bedeutete das, daß sein Fall nichts Außergewöhnliches war, daß sie von ihm und dem, was er tat, nicht einmal besondere Notiz nahmen; dann gab es nichts, womit er vor ihnen brillieren konnte.
    Er zog es vor, sich die Sache so vorzustellen: daß er der letzte Überlebende war. Nicht daß es nett war, von jedem, den man geliebt oder gehaßt hatte, zu denken, er sei tot; aber so war es eben. Und da er sich an niemanden, den er jemals gekannt hatte, erinnern konnte – und noch weniger an diejenigen, die er geliebt oder gehaßt hatte –, war das in bester Ordnung. Besser jedenfalls als die andere Möglichkeit. Vielleicht wurden die Wächter in kurzer Zeit seiner müde, gaben ihm seine Erinnerungen zurück und schickten ihn hinaus, um die Erde zu bevölkern, während sie in ihren Raumschiffen die Erde wieder verließen. Sie mußten ihn natürlich mit einer Frau versorgen, falls sie so etwas vorhatten, aber er glaubte, daß sich das schon arrangieren lassen würde. Er hoffte nur, daß sie anständige Titten hatte. Nach alldem, was er hier durchgemacht hatte, verdiente er es bestimmt, etwas anderes als matschige Hängetitten serviert zu bekommen. Das erste, was er tun würde, wenn sie ihn und sie hinaus in das Gras setzten, wäre eine anständige Handvoll davon zu grapschen und in den Mund gleiten zu lassen. Das würde großartig sein, er könnte Zungenspiele

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