Jahrestage 2
versorgt sie ihn mit symbolischem und barem Gelde, Kleidung jeweils nach der Konvention, Wohnungen in den Hauptstädten, an den Küsten. Da er es tut, ist richtig was er tut; unangefochten sitzt er in den Restaurants der Welt, wach neben fröhlichem Gehabe, gelangweilt unter der genießenden Maske, wartend. Sobald ein Zeitvertreib ausartet ins Private, bricht er ihn ab.
Unter gleichen weniger gleich. De Rosny von den de Rosnys. Erster seiner zweiten Generaldirektoren, damit er die Hände frei hat. Der die Siege zählt, die Dollars an zweiter Stelle. Nicht verwundbar. Gefährlich. Großmütig.
Scheußlich, das mit seiner Frau.
Unangreifbar. Beileid verbeten. Nicht einmal so zu fassen.
Wenn er eine Nacht in der Stadt verbringt, so bei der Arbeit.
Sucht seine Vorzimmermädchen aus nach der Unauffälligkeit. Damit sie ihn nicht stören.
Sicher im Glauben, daß etwas geschieht, wo er arbeiten läßt.
Überläßt seine Außenseite den Zweifeln der anderen, ob nun sein Handikap beim Golf oder beim Bluffen gemeint ist; verwendet seine eigenen Zweifel nicht sich aufzuklären, sondern zum unterhaltsamen Einschlafen.
Schläft gut. Kann warten.
27. März, 1968 Mittwoch
Als Stalingrad an die Sowjets zurückgefallen war, hatte Wilhelm Böttcher seinen Sohn zu Urlaub und Besuch zu Hause, jenen Klaus, der seit 1934 versucht hatte, von der väterlichen Werkstatt wegzulaufen, anfangs in die Hitlerjugend, dann in den Reichsarbeitsdienst, bis die Wehrmacht im April 1939 ein Einsehen hatte und ihn »nahm«. Im Februar 1943 kam er zurück, nunmehr 22 Jahre alt, hatte drei Tage geschlafen, saß am Abend des vierten im gneezer Hotel Stadt Hamburg zusammen mit Dr. Weidling, einem der Lehrer, denen er seine Niederlage am gneezer Gymnasium verdankte, ihm gleichberechtigt. Denn zwar kam Dr. Weidling von irgend wo als Panzerhauptmann, er durfte sich über seine Aufträge von der Abwehr nicht auslassen; sein Schüler trug am Waffenrock das Eiserne Kreuz Erster Klasse, das Verwundetenabzeichen, das Sturmabzeichen und alles übrige Blech, dessen er für Mannesstolz bedurft hatte. Noch vor fünf Jahren war Klaus Böttcher zu schmächtig, puppig, weichlippig gewesen für sein soldatisches Gehabe, jetzt saß es ihm dicht auf dem Leib. Später am Abend setzte Dr. Kliefoth sich zu den beiden, auch einer von Kläuschens ehemaligen Feinden, aber er konnte Cresspahl nur erzählen, daß der wendige Erzähler Klaus Böttcher sich ausgeschwiegen hatte und die beiden Herren benutzte als Kumpane zum Trinken und als Vermittler zu einem Arzt, der ihm seinen Urlaub länger schreiben sollte.
Wann immer der Junge Cresspahl über den Weg gelaufen war, er hatte ihn angehalten und Geschichten vorgebracht, in einer verschmitzten, selbstzufriedenen Art. Es waren Erlebnisse weit weg von Gneez, vom väterlichen Erbe. Cresspahl hielt den Sohn des Kollegen für einen von denen, die nicht in der Mitte eines Kartoffelfeldes buddeln mögen, sondern zwei Reihen am Rand brauchen, damit sie neben der Arbeit etwas sehen können und wenigstens in der blickweisen Ablenkung der Arbeit entkommen. Inzwischen meinte er nicht mehr, daß der Junge auf unbedachte Worte aus war; nur daß er sich wohl fühlte in lockeren, abwechselnden Verhältnissen, die überdies spaßhafte Anschläge erlaubten, und daß er so davon erzählte. Cresspahl hörte ihm nun zu wie einem Tunichtgut, dessen Taten niemandem schaden, wenn sie nicht noch zu leichter Erheiterung ausreichen.
1938, im Arbeitsdienst, war Klaus der Gefahr nahe gewesen, den Drill wie alle mitmachen zu müssen. Er hatte noch keinen einzigen Spatengriff gelernt, denn als Keiner Handwerker sein wollte, meldete er sich als Tischler und lebte fortan als ein freier Mann. Der Feldmeister brauchte 30 Hocker, die sein Vorgänger verheizt oder verhökert hatte, und mußte den Arbeitsdienstmann Böttcher aus Gneez als einen Wundertäter ansehen. Der hielt sich nicht auf damit, daß das Holz fehlte; er stahl von der Eisenbahnlinie Schwerin-Ludwigslust einen Posten Eisenbahnschwellen, schnitt sie dreißig Kilometer entfernt in einer kleinen Tischlerwerkstatt auf und baute dem Feldmeister die 30 Hocker, und 20 als Vorrat, damit der sich in seinen Geschäften freier bewegen konnte. So wurde er Chef der Tischlerei, konnte die Arbeit besorgen lassen von Kameraden, die Kläuschens Strategie nun begriffen hatten, und hatte Ausgang nach Neustadt-Glewe, wann immer er wollte. - So war das wohl nicht zu Ihren Zeiten? hatte Klaus Böttcher gesagt, in
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