Jahrestage 2
hatten es nicht mit Anstand angefangen. Papenbrock hielt Haus im ehemaligen Besitz der von Lassewitz, als trüge er ihren Namen, und reichlich brüderlich betrug er sich mit dem Adel des Winkels, der nicht nur das Land, auch die Stadt im Griff hatte, mit Mieten, Pachtgeldern, Zinsen, Hypotheken. Wenn er aber den heimlichen König von Jerichow machen wollte, so sollte er endlich aufstehen und sich kenntlich machen und nicht zulassen, daß ein Friedrich Jansen Bürgermeister war; viel Einbildung hatte die Stadt nicht verdient, den Kerl aber auch nicht. Papenbrock scheffelte lieber im Stillen ein; es half nichts, daß Gerissenheit etwas galt in Jerichow. Und Papenbrocks Louise tat nicht nur, als gehöre ihr die Stadt, sondern obendrein, als könne die Petrikirche ohne sie den Turm nicht halten. Seine Mädchen, solange sie die Mädchen gewesen waren, gingen an. Die hatten nicht nur Kleider verschenkt, auch Spielzeug. Und ihr Plattdeutsch, mochte es südlich getönt sein, sie hatten es doch als erste Sprache gelernt, von Hühnermamsells, von Futterknechten. Uns’ Hilde war mitunter schnippisch gewesen, nicht geradezu, dennoch fühlbar. Uns’ Lisbeth, unnötig kirchenzahm, war von denen die beste. Lisbeth hatte nicht lange gefragt, wenn sie Kinder mitnahm in Papenbrocks Garten, ob Bürgermeisters oder Schusters Kind. Papenbrock hatte seine beiden Töchter aufwachsen lassen fast wie ein Beispiel dafür, was Kindern (in Jerichow) gelassen und gegeben werden soll. Auf Kinder war schlecht neidisch sein; mochte den eigenen abgehen, was Papenbrocks hatten. Als der Alte sie dann verheiratet hatte, war doch wieder offenbar geworden, daß er seinen Besitz durch Verteilung sicherer machen wollte. Hildes Alexander Paepcke war dann doch nicht lange verkrachter Rechtsanwalt in Krakow geblieben, sondern Papenbrock hatte ihn in die Pacht der jerichower Ziegelei gesetzt. Fast gehörte sich, daß es Papenbrock schief ging. Denn Alexander Paepcke hatte es fertig gebracht, bei einem auf Jahre gesicherten, unersättlichen Ziegelbedarf für den Flugplatz Jerichow Nord rote Flecken in seine Bücher zu bekommen, rote Löcher geradezu, und hatte sich eingeschüchtert verzogen in den östlichsten Zipfel des Wehrbereichs II , in die Heeresintendantur Stettin; und Papenbrock in seinem Zorn gab wohl Hilde heimlich einen Schein zum Haushalt, Alexander wußte nur von dem strengen Gehalt, das er nun nach Hause brachte. Podejuch, wie das schon hieß, wenn es das überhaupt gab, wenn das am Ende nicht ein »Rio de Janeiro« war.
Und für Papenbrock seinen Sœhner, jenen Horst, hatte Cresspahl von Anfang an nicht einstehen mögen. Wo der Alte ihn niederhielt, hatte der sich stark machen wollen mit seinem Verein S. A.; war über die Dreißig gewesen und fuhr auf Lastwagen über Land und brüllte mit seinen Genossen die Chausseebäume an, weil er einem Ausländer namens Adolf Hitler etwas geschworen hatte. Wollte zu Cresspahls Hochzeit mit Lisbeth in der kackbraunen Uniform in die Kirche kommen. Allerdings, seit er von seiner Reise nach Übersee zurück war, hielt er sich ruhig. Die S. A. von Jerichow hatte ihn reinweg daran erinnern müssen, daß er vordem ihr Führer gewesen war. Seitdem machte er gelegentlich mit bei Übungen und Märschen, aber er hatte nicht darauf bestanden, seinen Anteil am Sieg der Nazis bezahlt zu bekommen mit Rängen, mit Ehrenzeichen. Das war während seiner Abwesenheit verteilt worden. Der hatte wieder gelernt, auf seines Vaters Hof und Speicher zu arbeiten, dabei verdarb er sich die braunen Stiefel. Er war länger als ein Jahr auf der Reise geblieben, er kam breiter in den Schultern zurück, gab sich nicht mehr als das eifrige Kerlchen, hielt den Kopf nicht mehr verkniffen hoch, sondern gleichmütig; womöglich wurde das doch ein Papenbrock nach dem Sinn des Alten. Womöglich konnte er seinem Hitler nicht abnehmen, daß der die halbe S. A.-Führung hatte abknallen müssen wie die tollen Hunde; oder er hatte in Amerika etwas gesehen. Und als er auf der Heirat mit jener Elisabeth Lieplow bestanden hatte, war es Papenbrock mit einem Male recht gewesen, und er konnte ihm nicht einmal vorhalten, daß er halbe Wochen in Kröpelin verbrachte; denn Horst hatte sich auf ausdrückliche Anweisung um sein Erbe in Jerichow gebracht.
Was er nun den Nazis verweigerte, das bekamen die von Robert Papenbrock, dem angeblich verschollenen Bruder, den Horst in »Rio de Janeiro« hatte suchen sollen; der hatte sich finden lassen und hielt
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