Jahrestage 2
spärliche Briefe von Sekretärinnen nach Diktat geschrieben. Im sogenannten Rußlandfeldzug sei er als Sonderführer hinter der Front tätig geworden, und der alte Papenbrock habe schon mehrere gefährliche Verhöre durch Fahnder der Roten Armee überstanden. Während des Krieges hatten Gerüchte jenem Sonderführer Geiselerschießungen in der Ukraine angelastet. Aus der Ukraine habe er den Papenbrocks ein junges Mädchen geschickt, vielleicht weil er immer noch Damen zu wohnen hatte in seiner requirierten Villa in Schwerin; oder er wollte in der Tat der Familie eine Braut anvertrauen. Das sei Slata gewesen, die nach dem Krieg auf der sowjetischen Kommandantur von Gneez schrieb und dolmetschte.
»Der Engel von Gneez«.
Bis sie mitsamt ihrem Kind in Haft genommen und in die Sowjetunion abtransportiert worden sei. 1945 im Herbst.
HORST PAPENBROCK .
Bei diesem Sohn habe der Alte es mit Schurigelei versucht, um nicht noch einen Erben nach Übersee oder an ein Gefängnis zu verlieren. Die erste Flucht unternahm Horst 1917 in die Armee. 1919 wurde er als Offiziersanwärter entlassen, und der Alte schlug ihn doch, wenn er nur das Geringste in der Wirtschaft versäumt hatte. Andere Strafen waren das Verbot, Tanzvergnügungen zu besuchen, oder Hofdienst am Sonntag. Die zweite Flucht versuchte Horst zu den illegalen Freikorps. Dem Alten gefiel das Soldatische dabei, auch das Vorgehen gegen die Kommunisten; er vertrug nicht, daß der Sohn sich der Aufsicht entzog, und holte ihn zurück mit der Drohung von Enterbung. In Jerichow wurde Horst eines der ersten Mitglieder von N. S. D. A. P. und S. A., nach wie vor vom Vater verspottet und schikaniert, so daß der Junge bei aller Übung im Militärischen unsicher blieb, schwach, schlapp. Wenn er Energie zeigen wollte, fiel sie fahrig aus. Was Horst zur Einrichtung der Nazigewalt in Jerichow beitrug, war die Bewachung eines Fahnenmastes auf dem Schulhof. Er, Cresspahl, halte nicht für erwiesen, daß Horst beteiligt sei an der Ermordung von Voss in Rande, nicht einmal für wahrscheinlich, da der Junge ja gelernt habe, die Gewalt zu fürchten, und aus bloßer Angst unfähig gewesen sein könne, einen Menschen mit Stahlruten totzuschlagen. Es sei denn, er sei da mit mehreren gewesen, und sehr betrunken. Papenbrock war besorgt, sein Erbfolger könne bei der Auseinandersetzung zwischen S. A. und S. S. zu Schaden kommen, und schickte ihn ins Ausland. Wenn Horst dabei einen Bruder finde und so sich um das eigene Erbe bringe, so glaube Cresspahl da nicht an Liebe zur Wahrheit. Papenbrock habe den Jungen bis zur Gleichgültigkeit geknutet. Die letzte Flucht war der Versuch, in die neue Armee zu kommen, und nachdem Papenbrock so oft mit der Enterbung gedroht hatte, führte ihm die Wut dabei die Hand. Horst lebte noch einige Jahre in Güstrow, Beamter bei der Landesbauernschaft, verheiratet mit jener Elisabeth Lieplow aus Kröpelin, die Albert Papenbrock wiederum nicht hatte in seine Familie nehmen wollen. Horst soll im Kessel von Stalingrad um sein Leben gekommen sein, ein ältlicher Leutnant, dem nicht einmal in der Todesnachricht vom Vorgesetzten Tapferkeit bescheinigt wurde.
Warum man denn zu Lisbeth Papenbrock, Louises Schwiegertochter, immer sage: Ilse.
Ihr voller Name laute Elisabeth Ilse Friederike Papenbrock, geborene Lieplow. Seit sie in Jerichow Louises Angestellte sei, nenne sie sich Ilse und wolle darauf hinweisen, daß sie Cresspahl nicht an den Vornamen Lisbeth erinnern wolle. Sie halte sich für taktvoll, indem sie die Möglichkeit einer Verwechslung anzeige.
DIE NIEBUHRS .
PETER NIEBUHR , Student der Forstwissenschaften in Berlin, Mitglied der Kommunistischen Partei bis November 1932, danach freiwillig in der Unteroffiziersschule Eiche bei Potsdam, von dort beurlaubt zum Reichsnährstand, einer Art Landwirtschaftsministerium. Peter Niebuhr habe über seine Vorgesetzten einen Prozeß in Gang gebracht, der einem Reichsarbeitsdienstführer Privatverdienste verleiden sollte, durch den aber Lisbeth Cresspahl gezwungen wurde, vor einem Gericht eine falsche Wahrheit auszusagen, zu einer Zeit, da sie eher Ruhe gebraucht habe. Ein ganz junger Mensch, glücklich versorgt mit seiner MARTHA KLÜNDER aus Waren, wäre nicht seine Sache mit der K. P. D. in Gedanken doch lebendig geblieben. Im Sommer 1943 zur Wehrmacht gezogen, plante er, zu den Sowjets überzulaufen; im Sommer 1943 starben er und seine Frau in Rerik bei dem Angriff auf die Flakartillerieschule I . Deren
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