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Jahrestage 2

Jahrestage 2

Titel: Jahrestage 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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hatte er die Werkstatt sogar verkaufen wollen; ergab sich den wirtschaftstheoretischen Belehrungen Dr. Salomons eher versuchsweise denn aus Einsicht. Daher das Mißtrauen gegen Cresspahls Abrechnungen; deshalb Gerüchtemacherei in den Kneipen von Richmond gegen den »Deutschen«. Die Einkünfte reichten aber zu der Kleidung eines Wirtschaftsführers, auch zu einem Versuch von entsprechendem Benehmen. Das junge Herrchen. Windhunde und jugendliche Freunde. Als Cresspahl den Treuhandvertrag termingemäß aufkündigte, fühlte er nicht nur seine buchhalterischen sondern seine wirtschaftlichen Verdachte insgesamt bestätigt, besonders, nachdem der Vertreter des Deutschen sich weigerte, unter seiner Oberhoheit die Werkstatt weiterzuführen. Es sei Gosling gewesen, der Mrs. Trowbridge mit ihrem Kind aufspürte, und auch noch, daß Dr. Salomons Kanzlei ihr regelmäßig Beträge von Cresspahls zurückgelassenem Konto überwies. Er brachte 1938 heraus, daß sie das Geld seit fünf Jahren zurückgeschickt hatte und Cresspahl nunmehr bei einer ausländischen Bank eine Summe besaß, die ausreichen würde für eine Verurteilung nach den deutschen Devisengesetzen. Darauf zeigte Gosling Cresspahl an, auch in der Hoffnung auf eine Belohnung, und die britische Abwehr, Abteilung Luftwaffe, zwang Salomon zur Herausgabe des belastenden Materials. Gosling sei nun wieder Teilbesitzer eines Textilgeschäftes in Uxbridge, London.
    Warum C. nicht versucht habe, Mrs. Trowbridge zu heiraten.
    Er sei zu Auskünften nicht einmal verpflichtet.
    LISBETH PAPENBROCK .
    Ein Mädchen, das im August 1931 mit der Fähre vom Priwall nach Travemünde fuhr. Vor siebzehn Jahren hätten sie einander in Malchow sehen können, vor elf Jahren in Waren, vor acht Jahren in Amsterdam, zehn Tage vorher auf dem Bahnhof von Schwerin. Nun kam sie über die Trave näher.
    Gründe gegen eine eheliche Verbindung.
    Der Unterschied im Alter; ihr Jahrgang 1906. Ihre Bekanntschaft mit Kunst und Wissenschaft. Ihre Abhängigkeit von der evangelischen Religion. Die Familie Papenbrock.
    Gründe dafür.
    Die Zukunft. Während er ihr nachging von der Fährstelle zu den Weißwarengeschäften bis zu dem Restaurantgarten an der Flußmündung, habe er für sicher gewußt, daß sie mitkommen werde nach England, ihm zuliebe; daß er mit ihr leben werde, wo immer sie her war, ihr zuliebe. Sie seien darüber einig gewesen, bevor sie es aussprachen. Er erteile einer Sechzehnjährigen keinen Brautunterricht.
    Das eheliche Leben.
    Beide hätten sie noch sieben Jahre lang versucht festzuhalten an dem Plan, den der eine mit dem anderen sich gemacht hatte, und sei es im Bewußtsein der Versäumnisse. Lisbeth habe Achtung gehabt vor Worten, wenn nicht Angst, insgemein vor Versprochenem. Eine Untreue gegen andere sei für sie Untreue gewesen gegen sie selbst. Er habe nicht bestanden auf den vier Kindern, mit denen sie hatte alt werden wollen; er habe sie zur Geburt zurückfahren lassen zu den Eltern, den Deutschen, den Nazis; er sei schließlich mitgegangen nach Jerichow, wo sie ihre Kirche besser verstand; ihr zuliebe. In Richmond, mit ihren vier Kindern, mit anderen Gottesdiensten und ohne die Familie Papenbrock hätte sie weniger leicht einen Grund zum Tode gefunden. Sie wäre nun erst dreiundvierzig Jahre.
    Was es auf sich habe mit dem Ausdruck: ALBERT PAPENBROCK , KÖNIG VON JERICHOW .
    Lisbeths Vater sei Cresspahl von Anfang vorgekommen wie ein Mensch aus einem Buch. Jahrgang 1868, zu nichts erzogen als zum Berufe des Agrarkapitalisten. Verschuldet wie ein General, bis er das Geld aus der Hageböcker Straße in Güstrow durch Heirat an sich brachte, obendrein entfernte Verwandtschaft mit denen von Heintz, wahrhaftigem Adel; beides nicht ohne Schaden für rasche Beförderung im Kaiserlichen Krieg. Danach sei der Verlust einer Gutspacht bei Waren an der Müritz eine gefährliche Niederlage gewesen. Der Alte wisse bis auf den heutigen Tag nicht, daß Cresspahl 1920 zu der Arbeiterkontrolle in Waren gehörte und ihm das Kommando schickte, das dann die Waffen der Reichswehr in Papenbrocks Kinderzimmer aufstöberte; er müsse das so kurz vor seinem Tod nicht mehr erfahren. Aufgegeben habe er die Pacht zwar erst 1922, vielleicht weil er als ein Bürgerlicher sein Ehrenwort gegeben hatte wie der Adel, und weil die Waffen dennoch bei ihm gefunden wurden. Als Schande habe nicht das falsche Ehrenwort gegolten, sondern daß er sich erwischen ließ. Er, Cresspahl, ziehe aber die Erklärung vor, daß ein

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