Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
zwischen den Avenuen Dritte und Lexington fiel eine Rotte Makler her, und bot, und unterbot, und als Auftraggeber hätten sie Niemanden nennen können, es sei denn einen Obermakler. Wo ein Hausbesitzer noch zögerte, schlugen neben ihm die Abbruchkugeln zu, und das weite Feld wurde wüst und leer. Ein Verkäufer an einer Ecke prozessierte noch, während ihm über dem Kopf das stählerne Skelett des Neubaus errichtet wurde, einem absurd vergrößerten Kindereinfall gleich, und da das Gestänge nachts beleuchtet wurde bis in die oberste Verstrebung, machte die New York Times eine Bemerkung dazu und bewies ihre Meinung mit einem Foto. Die Baustelle war zu beobachten durch großzügige Ovale in den Zäunen, auch Gesine Cresspahl ging ohne Ahnung vorüber und blieb stehen und verwunderte sich, daß die Ziegelsteine wahrhaftig in die Stahlträger eingeklebt wurden, und zwar von oben nach unten, wo sie frei hingen und sich bloßstellten als ein Zugeständnis an Zierat der Tradition. Der Mann an der Ecke ging unermüdlich von Gericht zu Gericht und klagte der Baugesellschaft wie der Welt, daß in seiner Bar einmal der General Lexington (oder war es Washington?) übernachtet habe, weswegen er als einziger im ganzen Block das Holz von damals instand gelassen und grün/weiß bestrichen habe, und de Rosny gab nach. Es war nicht ausdrücklich de Rosny, nur hatte er vielleicht der Konstruktionsfirma jenen Teil des Gebäudes abgemietet, und offenbar stand es in seinem Belieben, das historische Häuschen an der Ecke mit einer Abdeckung aus Beton zu erhalten, und wiederum ergatterte eine ehrwürdig aufstrebende Bank von Chicago und Wall Street dreiundvierzig Zeilen und ein Bild in der New York Times. Es wurden zwei ungeheure Türme, außen mit blauen Glaszeilen behängt, an jedem Ende des Blocks einer, und allein die Verbindung zwischen ihnen war fünfzehn Stockwerke hoch, und in die Erde waren die Bauer nicht eben zimperlich hineingegangen. Deren Name stand groß über den Eingängen, wenngleich abschraubbar, und die Schaufenster der Bank sahen einstweilen nach einer Filiale aus, vorläufig gemietet. De Rosny hatte einen Mietvertrag für das ganze Ungetüm, und er vermietete es weiter, an Anwälte wie an Delegationen der Vereinten Nationen, die ja die ganze Zeit nur drei Blocks weiter gewartet hatten auf Raum für Büros. Am Ende kam es so weit, daß die Bank die Miete an sich selber zahlte, und nun war es Zeit für eine Eintragung im Grundbuch und in der New York Times. Noch längst nicht will die Bank ihr Haus allein ausfüllen, jedoch kann sie beliebig nach Bedarf Raum freikündigen für sich, und ihr altmodischer Ackerbauname mit dem & benennt diesen Meilenstein kompromißloser Architektur als ihr Eigentum. Jedoch auch er ist nicht eingemeißelt in den Marmor, sondern zum Abschrauben. Denn de Rosnys wahrer Stolz labt sich daran, daß das Haus konstruiert ist auf die Möglichkeit, es binnen dreißig Tagen abzureißen und den leeren Boden mit hübschem Gewinn an den nächsten Dummen zu verkaufen.
Beiläufig hatte er die ganze Zeit gearbeitet. So sprach sich in der Bank umher, was Tschad war, es wurde einigen Leuten geradezu peinlich vertraut, und de Rosny verbreitete auch die Kenntnis anderer Erdteile. Die Zentrale war hergezogen aus Chicago, der Familienälteste lebt oben auf einem der Türme mit Dachgarten und Schwimmbad, des Kaisers neue Kleider trägt er, und de Rosny tut was. All den Tag steigen die Leute aus der Ubahn unter der Lexington empor, aus dem Bahnhof Grand Central werden sie nach Norden geschwemmt, und de Rosny hat weder ihre Gehalts- noch ihre Girokonten verachtet. Er hat das Haus nicht nur um ein paar Yards größer gemacht als die Union Dimes Savings an der Zweiundvierzigsten, und er muß sein Vergnügen gehabt haben, als lange nach ihm die Chemical ankam und auch an der Dritten Avenue baute. Und solche Werbung mit jugendlichen Damen, deren Lippen leicht und verlangend geöffnet sind:
wenn die an eine Bank denkt,
kriegt sie ne Chemische Reaktion
gibt es bei ihm nicht; er hat der Werbeabteilung gerade noch eben das Fünfstrichsymbol aus den Anfangsbuchstaben des Unternehmens abgenommen, und die Wachen im Foyer mögen es über dem Herzen tragen, bei seinem Chauffeur duldet de Rosny es nicht, der ist eher britisch gekleidet. In der Maschine des Hauses paßt alles zusammen, von der Schutzzone je Arbeitsplatz bis zur versenkten Fahrbereitschaft, aber das Muster ist nicht einsehbar, de Rosny hat es in seinem Kopf.
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