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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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und sah auf das kranke Kind am Atlantik mit Wut, mit Trotz und schickte dem Mißwüchsling doch wieder Geld. Als Gesine Cresspahl 1961 in diese Stadt kam, kannte sie kaum den Namen der Bank, hätte sie bedenkenlos mit Maklerfirmen oder Finanzgesellschaften verwechselt, und kannte sich doch aus mit solchen Königreichen wie dem Morgan Guarantee Trust. Jetzt aber steht sie hoch oben im Neuen Haus an einem Fenster, kaum auszumachen vom Bürgersteig her, und wartet auf die freie Zeit von de Rosny, stellvertretender Aufsichtsratvorsitzender, stellvertretender Generaldirektor, stellvertretende Allmacht, de Rosny eben.
    Auch de Rosny hat einmal gelacht bei der Vorstellung, er könne seinen guten Namen mit der Firmierung dieses Geldhauses in Gesellschaft zeigen.
    Mitte der fünfziger Jahre kam aus der Bucht des Goldenen Tors öfter als zufällig die Nachricht: de Rosny suche etwas im Osten. Begründung: seiner Frau bekomme das kalifornische Klima nicht länger.
    Es war eine Auskunft nach der Art de Rosnys, und wenn seine Kompagnons für einen Moment lächelten, eines vertrauten Spaßvogels gedenkend, was sollten Unterlegene vermuten? deren Namen ihm wahrscheinlich vorkamen wie etwas Jugendfreies aus dem großen amerikanischen Märchenbuch? An de Rosny gingen nicht viele Angebote, und die wenigen waren nicht von jener Stelle bei Wall Street. De Rosny hatte es nicht nötig. Wenn er nach Osten wollte, er konnte telefonieren lassen, und zehn Tage später wäre sein Haushalt quer über den Kontinent gerollt und stünde am Sund von Long Island in einem Erbbesitz akkurat auf den halben Fuß, wie er ihn in San Francisco verlassen hätte. De Rosny hatte sich nicht nach oben gedient im Geld, er hatte das Geld nicht geheiratet; seine Eltern hatten es ihm gegeben, ihm allein, und durch des Geldes aromatische, nahrhafte, schützende Schale hatte er geatmet, seit er den eigenen Vornamen kannte, und nicht erst, als er in Singapur das Bankgeschäft zu lernen anfing: aus Langeweile. So hieß es. De Rosny war nicht zu haben. Wo er Telefonaufsicht führte auf den weißen Hügeln, sie gaben ihm dort beliebig mehr als anderen für seine Verwandtschaft mit dem Geld, für seine Abstammung davon, weil er das Geld geworden war. De Rosny würde sich nicht abgeben mit einer so unerheblichen Not, und mochte sie tatsächlich an der Ostküste zu beheben sein. De Rosny galt als nicht berechenbar. Er ließ es ankommen auf ein Zerwürfnis mit Howard Hughes und erklärte öffentlich sein Unverständnis für Howies geschäftliche (nicht die privaten) Investitionen in Hollywood; de Rosny machte Ferien nicht da, sondern bei Adel in Britannien. Und Geschäfte betrieb er ausreichend mit Flugzeugfirmen, er brauchte dazu nicht Howies Erfindungen, insgemein, seitdem sie nicht mehr lange genug in der Luft blieben. Andere nannten ihn einen nicht ernsthaften Menschen. Sie meinten nicht seinen Umgang mit Geld. Nein, er führte kein Leben. Die abendlichen Essen, die beseligende Belohnung für einen Tag kämpferischer Konferenz, er langweilte sich dabei, er zeigte es. De Rosny trank nicht harten Alkohol, und hätte religiöse Gründe vorschieben können, und gab Mangel an Interesse zu. Vertraulichkeiten, nichts da! Kennt Einer den Vornamen de Rosnys? Der gab seinen Anzug in die chemische Reinigung, wenn er einen kumpelhaften Schlag auf die Schulter bekommen hatte! In sein Haus ließ er nicht viele Leute, Freunde waren sie darum lange nicht, und sie gaben Erzählungen kaum ab. Zu Hause ließ de Rosny importiertes Zeug servieren, weiße Weine, aus einer unmerkbaren Gegend in Frankreich, wo ein Berg war. Kraftloses Zeug, hilft kaum sprechen. Wenn andere Leute froh sein mußten, daß die Zeitungen sie mit Eleanor Roosevelt in einem Restaurant abbildeten, hatte de Rosny längst mit Franklin Delano am Kamin gesessen, und fotografieren ließ er sich dabei nicht, und F. D. war so weit gegangen, die geschäftliche Natur solcher Plaudereien in den Austausch von Internatserinnerungen umzulügen. Mitten im Krieg gegen die Hunnen. Nein, de Rosny bekam ungerecht viel, und zu leicht. Mochte er wissen, wo Gott wohnt; nicht einmal danken tat er ihm. Und diesen behenden Schurken, diesen allzu handlichen Fünfziger, am ganzen Leibe trainiert von etwas anderem als Tennis, ihn sollte man ansprechen wegen einer Kleinigkeit in New York, bloß weil er nach Osten wollte? (Weil seine Frau das sonnige Pazifikklima nicht gut vertrug.)
    De Rosny reiste durch in Chicago und wohnte nicht im Prachthotel

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