Jahrmarkt der Eitelkeit
Geld von Cupido bekämst, ehe er weggeht?« fuhr Becky fort, während sie eine reizende Schleife befestigte. Sie nannte George Osborne Cupido. Sie hatte ihm bereits einige Dutzend Male mit seinem guten Aussehen geschmeichelt. Sie schenkte ihm ihre Aufmerksamkeit, wenn er abends für eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen in Rawdons Zimmer kam, um noch ein bißchen Ecarté 1 zu spielen.
Oft hatte sie ihn einen schrecklichen, ausschweifenden Schurken genannt und ihm gedroht, Emmy von seinem nichtsnutzigen Lebenswandel und seinen unartigen, verschwenderischen Gewohnheiten zu erzählen. Sie brachte seine Zigarre und zündete sie ihm an; sie kannte die Wirkung dieses Manövers, hatte sie es doch schon früher an Rawdon Crawley erprobt. Sie schien ihm lustig, lebhaft, schelmisch, vornehm, entzückend. Bei ihren kleinen Spazierfahrten und Mahlzeiten stellte Becky natürlich die arme Emmy ganz in den Schatten. Amelia war stumm und schüchtern, während ihr Mann und Mrs. Crawley drauflosschwatzten und Hauptmann Crawley und Joseph (nachdem er sich zu dem neuvermählten Paar gesellt hatte) schweigend aßen.
Emmy ahnte nichts Gutes; Rebekkas Witz, ihr Temperament und ihre Talente versetzten sie in schmerzvolle Unruhe. Sie waren erst eine Woche verheiratet, und schon langweilte sich George und suchte eifrig die Gesellschaft anderer! Sie zitterte für die Zukunft. Wie kann ich ihm eine Gefährtin sein, dachte sie, da er so klug und glänzend ist und ich ein so unbedeutendes törichtes Geschöpf bin? Wie edel war es von ihm, mich zu heiraten, alles aufzugeben und sich zu mir herabzulassen! Ich hätte ihn zurückweisen sollen, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen. Ich hätte daheim bleiben und mich um den armen Papa kümmern sollen. Zum erstenmal fielen ihr ihre vernachlässigten Eltern ein (tatsächlich war die Anklage des schlechten Gewissens gegen das arme Kind ja nicht ganz unbegründet), und sie wurde schamrot. Oh! dachte sie, wie bin ich doch böse und selbstsüchtig gewesen! Selbstsüchtig, weil ich sie in ihrem Kummer vergaß, selbstsüchtig, weil ich George zwang, mich zu heiraten. Ich weiß, daß ich seiner nicht würdig bin; ich weiß, er wäre ohne mich glücklich – aber ich habe doch immer wieder versucht, ihn aufzugeben.
Es ist hart, wenn solche Gedanken und Geständnisse sich einer jungen Frau aufdrängen, noch ehe sieben Tage der Ehe vergangen sind. Aber so war es nun eben. Am Abend vor Dobbins Ankunft, einem schönen prachtvollen mondbeschienenen Maiabend, so warm und balsamisch, daß die Fenster zum Balkon aufgemacht wurden, standen George und Mrs. Crawley draußen und blickten auf das ruhige Meer hinaus, das vor ihnen glänzte, während drinnen Rawdon und Joseph Puff spielten. Amelia aber hockte völlig verlassen in einem großen Sessel und beobachtete die beiden Gruppen, und es bemächtigte sich ihrer Verzweiflung und Reue, die gewiß bittere Gesellschafter für diese zarte, einsame Seele waren. Kaum eine Woche war vergangen, und so weit war es schon gekommen! Hätte sie die Zukunft ins Auge gefaßt, so hätten sich ihr trübe Aussichten geboten. Aber Emmy war irgendwie viel zu scheu, dahin zu blicken und sich allein auf das weite Meer zu wagen, das sie ohne Führer und Beschützer doch nicht befahren konnte. Ich weiß, daß Miss Smith keine sehr hohe Meinung von ihr hat. Aber wie viele, mein teures Fräulein, besitzen Ihre ungeheure Geistesstärke?
»Gott, was für ein schöner Abend, und wie hell der Mond scheint!« sagte George und paffte ein Zigarrenrauchwölkchen zum Himmel empor.
»Wie köstlich riecht das doch im Freien! Ich liebe es! Soll man glauben, daß der Mond zweihundertsechsunddreißigtausendachthundertsiebenundvierzig Meilen von uns entfernt ist?« setzte sie hinzu und lächelte dem Himmelskörper zu. »Bin ich nicht gut, daß ich mich noch daran erinnere. Solchen Quatsch haben wir bei Miss Pinkerton gelernt! Wie ruhig doch das Meer ist und wie klar alles! Ich möchte sagen, ich kann fast die Küste von Frankreich sehen.« Ihre hellen grünen Augen funkelten und schossen einen Blick in die Nacht hinaus, als ob sie wirklich hindurchschauen könnten.
»Wissen Sie, was ich eines Morgens tun will?« fragte sie. »Ich kann nämlich sehr gut schwimmen, und eines Tages, wenn Tante Crawleys Gesellschafterin, die alte Briggs, wissen Sie – können Sie sich entsinnen, die Frau mit der krummen Nase und den langen Haarbüscheln? –, wenn die Briggs baden geht, dann will ich unter ihr
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