Jahrmarkt der Eitelkeit
glaubte, der Krieg werde sofort beendet werden und ihr Mann zum General befördert.
»Ja, ich werde meinen Weg machen, so gut wie jeder andere«, fuhr Osborne fort, »aber du, mein liebes Mädchen, wie kann ich es ertragen, daß dir die Bequemlichkeit entgeht und du nicht die Stellung in der Gesellschaft einnehmen kannst, die dir als meiner Frau gebührt? Mein liebstes Mädchen in einer Kaserne! Soldatenfrau beim Regiment, allen Arten von Belästigungen und Entbehrungen ausgesetzt! Es macht mich ganz elend!«
Erleichtert, daß dies ihres Mannes einziger Grund zur Beunruhigung war, ergriff sie seine Hand und begann mit freudestrahlendem Gesicht aus dem bekannten Lied »An der alten Treppe von Wapping« die Strophe zu singen, wo die Heldin, nachdem sie ihren Tom wegen seiner Unaufmerksamkeit gescholten hat, verspricht, »seine Hosen zu flicken und Grog ihm zu machen«, wenn er treu und freundlich sein und sie nicht verlassen würde. »Und außerdem«, sagte sie nach einer Pause, wobei sie so hübsch und glücklich aussah, wie eine junge Frau es sein sollte, »sind nicht zweitausend Pfund ungeheuer viel Geld, George?«
George lachte über ihre Naivität, und schließlich gingen sie zum Essen hinab. Amelia hing an Georges Arm und trällerte noch immer die Melodie von der »Alten Treppe von Wapping«.
Sie war so vergnügt und lustig wie schon einige Tage nicht mehr.
So war denn das Mittagsmahl, das endlich zustande kam, gar nicht traurig, sondern im Gegenteil ungemein lebhaft und lustig. Die Aufregung beim Gedanken an den bevorstehenden Feldzug wirkte bei George der Niedergeschlagenheit, die durch den Enterbungsbrief verursacht worden war, entgegen. Dobbin bewährte sich als unermüdlicher Plauderer. Er belustigte die Gesellschaft mit Berichten über die Armee in Belgien, wo es nichts anderes gab als Festlichkeiten, Vergnügungen und vornehme Leute. Sodann ging der geschickte Hauptmann zur Beschreibung der Majorin O'Dowd über, wobei er ein besonderes Ziel verfolgte. Er erzählte, wie sie ihre und ihres Majors Garderobe eingepackt hatte und wie sie seine besten Epauletten in einer Teebüchse verstaut hatte. Ihr berühmter gelber Turban, mit dem Paradiesvogel, in Packpapier gewickelt, war in die blecherne Hutschachtel des Majors gewandert. Dobbin hätte gern wissen mögen, welche Wirkung der Turban wohl am Hofe des französischen Königs in Gent oder auf den großen Offiziersbällen in Brüssel haben würde.
»Gent! Brüssel!« rief Amelia und fuhr vor Schreck hoch. »Hat das Regiment Marschbefehl bekommen, George, hat es Marschbefehl bekommen?«
Schrecken malte sich in dem lieblichen, lächelnden Gesicht, und sie klammerte sich instinktiv an George an.
»Hab keine Angst, Liebste«, sagte er gutmütig, »die Überfahrt dauert nur zwölf Stunden. Es wird dir nichts passieren. Du sollst auch mitkommen, Emmy.«
»Ich gehe jedenfalls mit«, sagte Becky, »ich bin beim Generalstab, General Tufto gehört zu meinen eifrigsten Anbetern, nicht wahr, Rawdon?«
Rawdon brach in sein übliches schallendes Gelächter aus. William Dobbin wurde rot. »Sie kann nicht mitkommen«, sagte er, »denk doch an die ...«, die Gefahr wollte er hinzufügen; sollte aber denn nicht sein ganzes Tischgespräch beweisen, daß es keine Gefahr gab? Er wurde sehr verlegen und schweigsam.
»Ich muß und will gehen«, rief Amelia mit größter Lebhaftigkeit. George lobte ihren Entschluß, tätschelte sie unterm Kinn und fragte alle Anwesenden, ob sie je eine so ungestüme Frau gesehen hätten. Er war einverstanden, daß sie ihm Gesellschaft leisten würde. »Wir haben Mrs. O'Dowd als Anstandsdame für dich«, sagte er. Was kümmerte sie sich darum, solange ihr Mann in der Nähe war? Und so wurde denn die Bitterkeit des Abschieds sozusagen hinweggegaukelt. Wenn es auch Krieg und Gefahr gab, so konnte es doch noch Monate dauern, bis Krieg und Gefahr sich bemerkbar machten. Auf jeden Fall war es ein Aufschub, der die schüchterne kleine Amelia fast ebenso glücklich machte, wie die aufgehobene Gefahr es getan hätte. Selbst Dobbin mußte im Innern zugeben, daß es so ganz günstig sei. Amelia sehen zu dürfen war nämlich jetzt das größte Glück und die Hoffnung seines Lebens, und insgeheim überlegte er, wie er sie bewachen und beschützen wollte. Ich hätte sie nicht mitgehen lassen, wenn sie meine Frau wäre, dachte er. Aber George war nun einmal der Herr, und sein Freund hielt es nicht für angemessen, ihm Vorstellungen zur machen.
Den Arm um
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