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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
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gebeugt sah und beobachtete, wie ihm die Tränen über die Nase aufs Papier tropften (denn der junge Mensch dachte an seine Mutter, die er vielleicht nie wiedersehen würde), überkam ihn die Rührung. Er unterbrach seinen Brief an George Osborne und schloß sein Schreibpult ab. »Warum sollte ich auch jetzt schreiben?« sagte er. »Mag sie diese Nacht noch glücklich sein. Morgen früh werde ich meine Eltern besuchen und dann selbst nach Brighton fahren.«
    So stand er auf und legte dem jungen Stubble seine große Hand auf die Schulter und richtete den jungen Krieger auf. Er sagte ihm, es könne noch ein guter Soldat aus ihm werden, da er stets ein ehrlicher, gutherziger Kerl gewesen sei, wenn er nur den Alkohol meiden würde. Die Augen des jungen Stubble hellten sich bei diesen Worten auf, denn Dobbin war beim Regiment als der beste Offizier und klügste Mensch angesehen.
    »Ich danke Ihnen, Dobbin«, sagte er und rieb sich die Augen mit den Knöcheln. »Ich schrieb ihr eben – eben, daß ich es wollte. Ach, Sir, sie ist so verdammt freundlich zu mir.« Die Wasserwerke begannen ihre Tätigkeit von neuem, und ich bin nicht sicher, ob die Augen des weichherzigen Hauptmanns nicht ebenfalls zwinkerten.
    Die zwei Fähnriche, der Hauptmann und Mr. Chopper speisten in derselben Abteilung. Chopper übergab den Brief von Mr. Osborne, worin dieser Hauptmann Dobbin kurz seine Empfehlung machte und ihn bat, Inliegendes Hauptmann George Osborne zukommen zu lassen. Chopper wußte nichts Näheres, er beschrieb nur Mr. Osbornes Aussehen und erzählte, daß sein Rechtsanwalt bei ihm gewesen sei. Er drückte auch seine Verwunderung aus, daß der Alte auf niemanden geflucht hatte. Als die Weinflasche die Runde machte, erging er sich in einer Menge von Spekulationen und Vermutungen, mit jedem Glas aber wurden sie vager, bis sie schließlich ganz und gar unverständlich waren. Spät in der Nacht brachte Hauptmann Dobbin seinen Gast, der unter einem Schluckauf schwor, daß er immer und ewig der Freund vom Hau-Hau-Hauptmann bleiben werde, zu einer Droschke.
    Wir haben erzählt, daß Hauptmann Dobbin beim Abschied von Miss Osborne um Erlaubnis bat, sie noch einmal besuchen zu dürfen. So wartete das ältliche Mädchen am nächsten Tage mehrere Stunden auf ihn, und wäre er gekommen und hätte er ihr die Frage gestellt, die sie so gern beantwortet hätte, dann hätte sie sich wahrscheinlich auf die Seite ihres Bruders geschlagen, und zwischen George und seinem grimmigen Vater wäre es zu einer Aussöhnung gekommen. Aber obgleich sie zu Hause wartete, ließ sich der Hauptmann nicht blicken. Er mußte seinen eigenen Geschäften nachgehen, seine Eltern besuchen und trösten, und sehr früh nahm er seinen Platz auf dem »Blitz« ein, um zu seinen Freunden nach Brighton zu eilen. Im Laufe des Tages hörte Miss Osborne, wie ihr Vater den Befehl gab, dem intrigierenden Schuft, Hauptmann Dobbin, den Eintritt in sein Haus zu verweigern, und so waren alle Hoffnungen, die sie insgeheim gehegt haben mochte, zunichte gemacht. Mr. Frederick Bullock kam und war besonders liebevoll zu Maria und besonders aufmerksam gegen den gramerfüllten alten Herrn. Denn wenn Mr. Osborne auch sagte, seine Seele sei nun ruhig, so schienen doch die Mittel, mit denen er diese Ruhe hatte finden wollen, noch nicht gewirkt zu haben. Die Ereignisse der letzten zwei Tage hatten ihn sichtlich erschüttert.

25. Kapitel
In dem es sämtlichen Hauptpersonen geraten erscheint, Brighton zu verlassen
    Als Dobbin im »Schiffshof« zu den Damen geführt wurde, wurde er sehr heiter und gesprächig, was bewies, daß der junge Offizier mit jedem Tage besser zu heucheln verstand. Einmal versuchte er damit seine Gefühle zu verbergen, als er Mrs. George Osborne in ihrem neuen Stande sah, und zum anderen wollte er damit seine Befürchtungen maskieren, wie die schlimme Nachricht, die er brachte, auf sie wirken würde.
    »Meiner Meinung nach, George«, sagte er, »wird der französische Kaiser uns mit Kavallerie und Infanterie angreifen, bevor drei Wochen vergangen sind, und dem Herzog einen Tanz liefern, gegen den der Krieg in Spanien ein bloßes Kinderspiel war. Aber weißt du, das brauchst du Mrs. Osborne nicht zu erzählen. Vielleicht kommen wir am Ende gar nicht zum Kampf, und unser ganzes Unternehmen in Belgien erweist sich als bloße militärische Okkupation. Viele teilen diese Ansicht, und Brüssel ist voll von feinen Leuten und vornehmen Damen.« Man beschloß also, Amelia die

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