Jahrmarkt der Eitelkeit
chaussée 6 sein könne, und sie bestand darauf, ihr gleich am nächsten Morgen ihre corsetière 7 zu schicken. Sie beteuerte, daß es ein herrlicher Ball sei, daß alle da seien, die jedermann kenne, und daß nur ganz wenige gesellschaftliche Nullen im Saal seien. Tatsächlich hatte diese junge Frau schon nach vierzehn Tagen und drei Diners in der Gesellschaft sich so den vornehmen Jargon angeeignet, daß ein Angehöriger dieser Klasse ihn nicht besser hätte sprechen können. Und nur daraus, daß ihr Französisch so gut war, konnte man ersehen, daß sie von Geburt keine Dame war.
George, der Amelia beim Eintritt in den Ballsaal auf ihrer Bank gelassen hatte, fand bald seinen Weg zu ihr zurück, als Rebekka bei ihrer lieben Freundin war. Becky belehrte eben Mrs. Osborne über die Torheiten, die ihr Mann beging. »Um Himmels willen, meine Liebe, halt ihn vom Spielen zurück, sonst ruiniert er sich noch«, sagte sie. »Er und Rawdon spielen jeden Abend Karten, und du weißt, wie arm er ist, und Rawdon gewinnt ihm jeden Shilling ab, wenn er sich nicht vorsieht. Warum verhinderst du es nicht, du sorgloses Geschöpfchen? Warum kommst du nicht abends zu uns, anstatt dich mit diesem Hauptmann Dobbin daheim zu langweilen? Er ist gewiß très aimable 8 , aber wie kann man einen Mann mit so großen Füßen lieben? Die Füße deines Mannes dagegen sind süß – ah, da kommt er ja. Wo sind Sie gewesen, Sie Böser? Emmy weint sich inzwischen Ihretwegen die Augen aus. Wollen Sie mich zur Quadrille holen?« Und sie ließ ihr Bukett und ihren Schal bei Amelia und trippelte mit George davon zum Tanzen. Nur Frauen können so verletzen. Sie haben an den Spitzen ihrer kleinen Pfeile ein Gift, das tausendmal mehr schmerzt als die stumpfere Waffe eines Mannes. Unsere arme Emmy, die in ihrem ganzen Leben noch nie gehaßt, noch nie gehöhnt hatte, war machtlos in den Händen ihrer unbarmherzigen kleinen Feindin.
George tanzte zwei- oder dreimal mit Rebekka, wie oft, wußte Amelia kaum. Sie saß völlig unbeachtet in ihrer Ecke, und nur Rawdon kam einmal und versuchte ungeschickt, sich ein wenig mit ihr zu unterhalten, und spät am Abend war Hauptmann Dobbin so kühn, ihr ein paar Erfrischungen zu bringen und sich zu ihr zu setzen. Er mochte sie nicht fragen, warum sie so traurig sei, aber als Erklärung für die Tränen in ihren Augen sagte sie, Mrs. Crawley habe sie erschreckt, als sie ihr erzählte, daß George immer noch spiele.
»Es ist doch komisch, von welchen plumpen Schuften sich ein Mann betrügen läßt, wenn er hinter dem Spiel her ist«, sagte Dobbin, und Emmy antwortete: »Ja, wirklich.« Sie dachte an etwas anderes. Es war nicht der Verlust des Geldes, der ihr Kummer machte.
Schließlich kam George zurück, um Rebekkas Schal und ihre Blumen zu holen. Sie ging und ließ sich nicht einmal herab, zurückzukommen, um sich von Amelia zu verabschieden. Das arme Mädchen ließ ihren Mann kommen und gehen, ohne auch nur eine Silbe zu sagen, und ließ traurig den Kopf hängen. Dobbin war weggerufen worden und flüsterte angelegentlich mit dem Divisionsgeneral, seinem Freund. Er hatte diesen Abschied nicht beobachtet. George entfernte sich mit dem Bukett. Als er es aber der Eigentümerin übergab, lag ein Briefchen, zusammengerollt wie eine Schlange, in den Blumen. Rebekka fiel es sofort ins Auge. Schon in frühester Jugend war sie es gewöhnt, mit Briefchen umzugehen. Sie streckte ihre Hand aus und nahm den Strauß. Ihre Augen trafen sich, und er sah, daß sie wußte, was sie darin finden würde. Ihr Mann führte sie eiligst davon, scheinbar viel zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um die Zeichen der Verständigung zwischen seinem Freund und seiner Frau zu bemerken. Sie waren auch nicht sehr auffällig. Rebekka reichte George die Hand mit einem ihrer raschen schlauen Blicke, knickste und entfernte sich. George beugte sich über ihre Hand, erwiderte nichts auf eine Bemerkung Crawleys, ja hörte sie nicht einmal. Sein Gehirn fieberte vor Triumph und Aufregung, und er ließ sie wortlos gehen.
Seine Frau sah zumindest einen Teil der Bukettszene. Daß George auf Rebekkas Bitte ihren Schal und die Blumen holte, war ganz in Ordnung, das hatte er im Laufe der letzten Tage zwanzigmal getan, aber jetzt wurde es ihr doch zuviel.
»William«, sagte sie und klammerte sich plötzlich an Dobbin, der ganz in der Nähe stand, »Sie sind immer sehr freundlich zu mir gewesen – mir ist – mir ist nicht gut. Bringen Sie mich nach
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