Jake Djones und die Huter der Zeit
konnte man bis zu der goldenen Spitze gelangen und von dort die Aussicht über die Stadt genieÃen. Sie waren hineingegangen, und Jake hätte nichts lieber getan, als ebenjene Spitze zu erklimmen, genauso wie sein Vater. Aber seine Mutter, normalerweise für jeden Spaà zu haben, war plötzlich nervös geworden und hatte darauf bestanden, dass sie noch vor der Hauptverkehrszeit nach Hause fuhren. Jake erinnerte sich ebenfalls, wie seine Eltern ihn daraufhin von dem Platz weggeschleift hatten und er sich immer wieder umgedreht hatte, um wie hypnotisiert das imposante Bauwerk anzustarren.
Der Mann im Zylinder stieg aus dem Wagen und spannte seinen Regenschirm auf, den er mit einiger Kraft festhalten musste, damit der Sturm ihn nicht sofort davonblies. Er öffnete Jakes Tür und blickte ihm fest in die Augen. »Folge mir. Und denke nicht einmal daran wegzulaufen«, sagte er.
Jake beäugte seinen Häscher misstrauisch. Der Mann hatte ein markantes Gesicht mit stolzer Adlernase und hohen Wangenknochen. Der Blick seiner dunklen Augen war ebenso arrogant wie undurchdringlich, und er war elegant gekleidet: seidig schimmernder Zylinder, weiÃes Hemd, schwarze Krawatte, ein dunkler Cutaway, der perfekt zu seinem schmalen Körperbau passte, eine enge Stresemannhose mit dezenten Nadelstreifen und fein säuberlich polierte Lederschuhe.
Es gab einen Blitz, gefolgt von einer weiteren Sturmböe, die sie mit Regen übergoss.
»Beeil dich!«, herrschte der Mann Jake an. »Wir gehören zu den Guten. Ehrenwort .«
Jake warf sich seine Schultasche über die Schulter und kletterte zögernd aus dem Wagen.
Der Mann packte ihn am Oberarm und klopfte an die Scheibe der Fahrertür, woraufhin das Fenster sich mit einem elektrischen Summen einen Spaltbreit öffnete. »Fahr sofort los und hol Ihre Majestät ab.«
»Wird gemacht.«
»Und vergiss Miss St. Honoré nicht. Sie ist im Britischen Museum, wahrscheinlich in der Ãgyptischen Sammlung.«
»Ãgyptische Sammlung«, wiederholte der Chauffeur und nickte.
»Und, Norland, wir legen in einer halben Stunde ab. Pünktlich auf die Minute, verstanden? Keine Extratouren also, weder ins Wettbüro noch zu irgendeiner deiner Lieblingsspelunken.«
Der Chauffeur schien irritiert über die bissige Bemerkung, verbarg seinen Ãrger aber hinter einem perfekt gespielten Lächeln. »Ablegen in einer halben Stunde, alles klar«, sagte er und schloss das Fenster.
Ein Adrenalinstoà durchflutete Jakes Körper. Sein Puls raste doppelt so schnell wie normal â dann riss er sich los und rannte, so schnell er konnte, quer über den Platz.
Der groà gewachsene Mann reagierte sofort. »Halten Sie ihn auf!«, brüllte er einer Gruppe von Büroangestellten zu, die gerade auf dem Weg zur U-Bahn war. Seine Erscheinung strahlte eine derartige Autorität aus, dass die Leute nicht einmal auf die Idee kamen, dass er der Verbrecher sein könnte und nicht Jake.
Als sie sich ihm in den Weg stellten, wirbelte Jake herum und lief in die Gegenrichtung â wo er im nächsten Augenblick frontal mit dem Mann zusammenprallte, dem er soeben erst entronnen war. Mit einem lauten Krachen schlug Jakes Stirn gegen den Unterkiefer des Kidnappers.
Sein Verfolger taumelte ein paar Schritte zurück, der Regenschirm wirbelte davon, dann verloren seine langen, dünnen Beine den Bodenkontakt, und er fiel hintenüber in eine tiefe Pfütze. Der Zylinder rollte hinüber zum Sockel des Denkmals, und aus dem Augenwinkel sah Jake, wie der Regenschirm Richtung St.-Pauls-Kathedrale davonsegelte.
Jake lieà alle Vorsicht fahren und lief auf den am Boden liegenden Knoten aus GliedmaÃen und verdreckter Kleidung zu. Auch der Chauffeur war aus dem Bentley gesprungen, und die Passanten standen vor Schreck wie angewurzelt da.
Jake blickte hinunter auf den bewegungslosen Körper. »Ist Ihnen etwas passiert?«, fragte er.
Endlich bewegte sich der Kopf des schlaksigen Mannes. Ganz langsam setzte er sich auf und strich sich mit feingliedrigen Fingern die Haare aus der Stirn, als wäre nichts geschehen.
Jake seufzte erleichtert. »Ich wusste nicht, dass Sie hinter mir sind. Ist Ihnen nun was passiert?«, wiederholte er leise und streckte dem Mann eine Hand hin, um ihm auf die Beine zu helfen.
Letzterer ignorierte ihn einfach und wandte sich stattdessen an seinen Chauffeur. »Was stehst du hier noch
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