Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
die Zwischenstopps auf den Leitplanken der Passstraße führten nicht zur erwünschten Erholung.
Ohne ein Fünkchen des Bedauerns darüber, mich konditionell auf die Strapazen dieser Pilgerschaft zuhause nicht vorbereitet zu haben, biss ich die Zähne zusammen. „Ultreja Uli! Immer Weiter Uli!“ Oftmals flehte ich: „Gott gib mir die Kraft, diese Pilgerschaft durchzustehen!“ Immer darauf hoffend, dass nunmehr doch der von mir als Klamm kartographisch angesehene Gebirgsdurchbruch kommen müsste, lief ich weiter. Wie naiv von mir, dieses zu glauben. Da sich kein Strom den Durchbruch durch dieses Bergmassiv verschafft hatte, kann es auch keine Klamm geben. Vielmehr müsste diese Bergwelt eine Wasserscheide darstellen, so dass logischer Weise die Passstraße bis ganz hinauf zum Gebirgsrücken führen dürfte, was auch so war.
Nah der Bergkuppe entdeckte ich eine überdachte Holzlege, in der ich zwei Holzstämme zu einem provisorischen Hocker an der Holzlegewand zusammenstellen konnte, um mich endlich einmal halbwegs geschützt vor dem Regen und den permanent aufkommenden Windböen anständig hinsetzen und ausruhen zu können. Als ich so zitternd vor Kälte meinen Blick zu den bewaldeten, teils mit Schneefeldern bedeckten, umliegenden Bergen schweifen ließ, fing zu meinem Überdruss auch noch ein heftiger Schnee-Regenschauer an. Meine Finger waren steif vor Kälte. Als der Schauer nachließ, machte ich mich erneut auf den Weg. Immer noch konnte ich kein Ende des Anstieges absehen.
Wie ein Sonnenstrahl in meiner Trostlosigkeit erschien mir der lang ersehnte Anblick der Passkapelle. Ich wusste, dass es nunmehr nur noch bergab gehen wird. Hoffend darauf, mich innerhalb der Kapelle aufwärmen und ausruhen zu können, schleppte ich mich mit letzten Kräften hinauf zu ihr. Schwer zusammen reißen musste ich mich, um nicht zornig zu werden, als ich vor verschlossenen Türen stand. Auch eine Bank war weder an der Kapellenaußenwand noch unter dem weit ausladenden Vordach, das einen steinernen Außenaltar schützte, vorzufinden. Als ich mich völlig erschöpft über den steinernen Altar legte, fing plötzlich dessen Tischplatte an zu wackeln, so dass ich sofort zurück schreckte. Möglicherweise wäre mir ansonsten diese noch auf die Füße gefallen. Typisch, dachte ich mir, zur Verherrlichung Gottes im Himmel erbaut man eine moderne Kapelle und vergisst hierbei seine Gegenständlichkeit auf Erden in Form eines Bänkles für uns Pilger.
Nach einem kurzen Abstieg erblickte ich endlich die Klosteranlage Roncesvalles. Schnell noch meinen heutigen Pilgerpassstempel eingeholt bezog ich mein Stockbett im hohen und sehr langen Refugium des Klosters. Unzählige Betten in Reih und Glied, zweireihig aufgestellt, wurden von Pilgern belegt. Nachdem ich mich meiner nassen Klamotten entledigt hatte, geduscht und trocken eingekleidet war, begab ich mich hungrig zum ersten der beiden ortsansässigen Restaurants, um mir das erstmögliche Pilgermenü um 19.00 Uhr zu reservieren, was mir auch gelang. Darüber hinaus konnte man sich noch zu Mahlzeiten um 20.00 Uhr oder um 21.00 Uhr voranmelden. Im Speisesaal wurde ich einem Tische zugewiesen, an dem bereits drei Amerikaner saßen. Als ich mich im Raume umsah, konnte ich mich dem Eindruck nicht erwehren, dass ich als einziger mit hängenden Flügeln dasaß, während die anderen Bullen gleich ungestüm kaum den morgigen Tag abwarten zu können schienen, bis es endlich so richtig losgeht. Oh mein Gott, dachte ich bei mir, das dürfte für mich eine sehr einsame Tour werden. Denn auch zu diesen vor Kraft Strotzenden schien ich nicht zu gehören.
Der Umgangston am Tisch war sehr höflich und zuvorkommend. Zu einer Flasche guten Rotweins nebst einer Karaffe Wasser für uns vier wurde als erster Gang eine schmackhafte Kartoffelsuppe, hernach Fisch mit Pommes und als Dessert ein Früchtejoghurt gereicht. Kosten insgesamt: € 7,00.
Um nicht die 20.00 Uhr-Messe mit Pilgersegen des hiesigen Klosters zu versäumen, verabschiedete ich mich kurz und begab mich hinaus in den Regen zur Klosterkirche. Die Messe war sehr feierlich gehalten. Anhand den Formularien, die vor Erteilung des Carnes auszufüllen und Fragen wie Konfessionszugehörigkeit und Gründe der Pilgerschaft zu beantworten waren, mussten die heute anwesenden, zahlreichen Landsmannschaften nationalitätsmäßig zusammengetragen worden sein. Jede wurde während der Messe begrüßt. Gegen Ende der Messe wurden wir Pilger vor den Altar geladen
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