Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Alternativroute, soweit man dieses als Alternative nennen konnte, nämlich entlang der Nationalstraße in Richtung Pamplona. Um nun endlich auch damit zu beginnen, meine Vorsätze, wie z.B. meine Rauchgewohnheiten zu ändern, in die Tat umzusetzen, habe ich mir vorgenommen, morgen keine einzige Zigarette zu rauchen.
Freitag, den 07.05.:
Das gestrige Gefühl der Gemeinsamkeit nebst der Vorfreude darauf, endlich noch eine Nacht schlafen zu müssen, bevor die lang ersehnte Pilgerwanderschaft beginnt, wich beim Aufstehen der Notwendigkeit der Geschäftigkeit. Jeder in der Herberge war damit beschäftigt, alles wieder in seinen Rucksack so zweckmäßig wie möglich zu verstauen und vor allem ja nichts liegen zu lassen; so auch ich. Allerdings hatte ich am Abend zuvor meine Armbanduhr irgendwohin in meine Sachen gestopft, so dass ich sie heute Morgen nicht spontan auffinden konnte. So startete ich zeitlos bepackt wie ein Sandwich, d.h., bauchseitig ein kleiner Rucksack und rückenseitig ein großer. Da ich schon lange Probleme mit meinem Kreuz im Lendenwirbelbereich habe, dachte ich mir, diese Packart sei die günstigste für eine lange Wanderschaft, derweil hierdurch der Schwerpunkt näher zur Wirbelsäule rückt und so bei Unebenheiten des Weges weniger ausgleichende Beugungen meiner Wirbelsäule erfolgen müssten als bei einer lediglich rückenseitigen Bepackung. Auch dürfte meine gewählte Packart zu weniger Muskelaufwand im Schulter-, Wirbelsäulen- und Bein bereich führen, was einer vorzeitigen Muskelermattung entgegenwirken könnte.
Da erstaunlicherweise sich beim Verlassen meiner ersten Pilgerherberge kein Regentropfen vom Himmel zu fallen gestattete, war ich guter Hoffnung, trockenen Fußes meine erste Wegetappe zurücklegen zu können. Weit gefehlt! Bereits nach ein bis zwei Kilometern Weges entlang der Nationalstraße öffnete der Himmel seine Schleusen. Dazu wurde es spürbar kühler. Im ca. 8,5 km entfernten Ameguy, dem französischen Grenzort, legte ich eine Kaffeepause ein. Ein Frühstück gab es leider auch hier nicht. Weil ich im ca. 4 km entfernten Nachbarort Valcarlos noch keinen Hunger und kein Ermattungsgefühl verspürte, setze ich risikobereit meinen Pyrenäenaufstieg pausenlos zur nächsten, allerdings von Valcarlos ca. 17 km entfernten Klosterortschaft Roncesvalles fort. Irgendwann zeigte ein Pilgerzeichen links hinab in ein Bergtal, so dass ich trotz leichten Bedenkens betreffend der Beschaffenheit des sicherlich völlig aufgeweichten Pfades diesen einschlug. Der Nebenpfad führte eine zeitlang bergab, was meiner Erholung förderlich war. Entlang an einem kleinen Bauerngehöft bog er in ein kleines, steil ansteigendes Seitental mit einem reißenden Bach ab. Wie vermutet, watete ich förmlich durch Schlamm bergaufwärts. Immer wieder kamen mir kleine Rinnsale entgegen, die sich ihren Weg auch über die zahlreichen Steinplatten, die es zu überqueren galt, suchten. Auf einer der Steinplatten wäre ich beinahe gestürzt, konnte mich erstaunlicherweise jedoch wieder fangen, obgleich mir der Blick zu meinen Füßen durch meinen Vorderrucksack verwehrt war. So muss es wohl Pferden und anderen Vierbeinern ergehen, die gleichfalls ihre Vorderhufen nicht sehen können und ausschließlich anhand ihrer Erfahrungswerte derartige Gefahren meistern müssen.
Irgendwann mündete der Pfad wieder in die Nationalstraße. Bei der nächsten Abzweigung des Wanderweges war mir klar: Ein zweites Mal tue ich mir dieses nicht mehr an! So marschierte ich bei strömenden Regen, völlig durchnässt und fröstelnd die Passstraße weiter hinauf. Um in Roncesvalles wenigstens einen trockenen Umhang zu haben, ließ ich mein Regencape unangetastet im Rucksack. Mein mit einem Jakobsmuschelemblem versehener Hut hielt mir die ansonsten in mein Gesicht geschlagen hättenden, kalten Regentropfen zuverlässig ab.
Die Passstraße war für mich mörderisch. Permanent ging’s bergauf. Irgendwann entdeckte ich am Straßenrand ein abbruchreifes Haus, dessen Haustüre weit offen stand. Im Hausflur verweilte ich hoffend, der Regenschauer würde nachlassen. Weit gefehlt! Und weiter ging’s die unabsehbaren, nicht enden wollenden Serpentinen hinauf zum Ibañeta-Pass. Regen, zunehmende Kälte, Nebel verhangene Berge und keine vor Roncesvalles zu erwartende Gaststätte, in der man sich nicht nur aufwärmen sondern auch seinen Durst und den sich allmählich einstellenden Hunger stillen hätte können. Es war einfach trostlos! Auch
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