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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Aufnahmen zu machen. Auch diesen Gedanken verwarf ich, da ich erneut eine Nacht in San Sebastian verbringen hätte müssen und ich dieses keinesfalls wollte. So machte ich mich leicht geschröpft zur Weiterfahrt nach Saint-Jean-Pied de Port auf.
    Während der Zugfahrt nach Hendaye vermeinte ich, meinem Bruder eine Klarstellung meiner gestrigen Telefonnachricht schuldig zu sein. Als ich hernach vor mich hin sinnierte, war ich von mir selbst überrascht. Weniger der finanzielle Verlust als vielmehr der Umstand, keine Videodokumentation meiner Pilgerreise mit nach Hause bringen zu können, reute mich. Ist das für einen Schwaben normal?
    Nun, jedenfalls erstaunte mich auch die Tatsache, dass ich mich, je länger ich hierüber nachdachte, zunehmend erleichtert fühlte. Hatte ich nicht vor, diese Reise für mich selbst zu machen, d.h., den Blick auf den Augenblick und nicht auf die Zukunft, auf wohlgefällige Videovorführungsabende zu richten?
    Nach dem Umstieg in Hendaye in den Zug nach Bayonne stärkte sich meine Einsicht, dass der gestrige Raubüberfall professionell vonstatten gegangen war. Kein Haar war mir gekrümmt worden; keine Beule oder nennenswerten Kratzer hatte ich mir zugezogen. Ich musste gestehen, mich überkam ein leichter Anflug an Respekt vor den Tätern.
    In Bayonne angekommen musste ich mich um meine Weiterfahrt nach Saint-Jaen-Pied de Port kümmern, da man aufgrund unterschiedlicher Bahngesellschaften in San Sebastian eine Fahrkarte bis Hendaye, in Hendaye eine bis Bayonne und dort wiederum eine bis nach Saint-Jean-Pied de Port lösen musste. Meinen vierstündigen Aufenthalt bis zur Weiterfahrt nutze ich dazu, mir einen Photoapparat zu kaufen. Hierzu musste ich notgedrungen hinaus in den Sturm, den Regen und die Kälte. Ein Photogeschäft findet man nun einmal meist nicht in Bahnhöfen, sondern eher in den weiter entfernt liegenden Citys. So auch hier. Als ich mich im Bahnhofsgebäude wieder einfand, war ich völlig durchnässt. Mein Schirm war ein einzig flatternder Fetzen. Beruhigend empfand ich, dass sich zwischenzeitlich weitere Rucksackreisende einfanden.
    Um die noch anstehende Wartezeit bis zur Weiterfahrt nutzbringend zu verwenden, aber auch um mich aufzuwärmen, begab ich mich ins Bahnhofscafe und fing mit meinen Reiseschilderungen der letzten beiden Tage an.
    In der kleinen Bimmelbahn nach Saint-Jean-Pied de Port hatten eindeutig die Wanderer die Oberhand. Überall lagen Rucksäcke, Wanderstöcke und noch weitere Pilger- bzw. Wanderutensilien in der Ablage und auf dem Gang. Ein Platz bei einem jungen Pärchen, das nach einer Äußerung wie „Jänner“ sicherlich aus Österreich stammen dürfte, schien mir angenehm. Es entwickelte sich auch gleich ein nettes Gespräch. Mein Stimmungspegel erhellte sich immer mehr, zumal nun erstmals Sonnenstrahlen die ansonsten geschlossene Wolkendecke durchdrangen. Als ich jedoch jemanden Videoaufnahmen im Zugabteil machen sah, überkam mich für einen Moment eine gewisse Wehmut, dieses nun selbst nicht mehr tun zu können. Ach was, sagte ich mir sogleich, ich kann meine Pilgerreise viel bewusster erleben und genießen, wenn ich lediglich zur Erinnerung und damit als Gedächtnisstütze Bilder von meiner Reise machen werde. Über diese Erkenntnis aber insbesondere über meine definitiv endgültige Entscheidung hierüber fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich fühlte mich erstmals so richtig frei. Meinen Alltag hatte ich nunmehr zu Hause gelassen, wo er auch hingehörte.
    In Saint-Jean-Pied de Port angekommen empfing uns Musik aus einem Lautsprecher neben einem Wegekreuz. In Begleitung flotter Rhythmen latschte ich den anderen hinterher, die sich zielstrebig zum Pilgerbüro begaben. Da ich bereits meinen Pilgerpass zu Hause ausgestellt bekommen hatte, hatte ich auch ruck, zuck meinen heutigen Carnes. Auch die viel gerühmte Madame der hiesigen Pilgerherberge zeigte keinerlei Anstalten, mich auf charmante Art und Weise, wie so oft in Reiseschilderungen zu Hause gelesen, abzulehnen. Während wir Neulinge im Pilgerwesen uns doch ein wenig hektisch gleich einem Bienenschwarm verhielten, strahlte sie Ruhe, Besonnenheit und vor allen Dingen Liebenswürdigkeit aus. So konnte ich endlich meine Schlafstatt in einem der Sammelschlafräume beziehen. Eine Hiobsbotschaft machte sogleich die Runde: Den üblichen Weg nach Roncesvalles, der nächsten Pilgerstation, zu begehen sei wegen Schneefalls nicht ratsam. Beruhigend allerdings wirkte der Zusatz, es gäbe bereits eine

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