Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
nach Pamplona entlang. Durch die abends zuvor auf meine Beine aufgetragene, durchblutungsfordernde Salbe namens „Finalgon extra stark“ fühlte ich mich körperlich fit. Was konnte mir da der noch andauernde Regen anhaben?!
So vor mich hinwandernd erschrak ich plötzlich über die Feststellung, dass ich sowohl das berühmte Pilgerkreuz am Rande Roncesvalles als auch den Gedenkstein an die klägliche Niederlage des im Rolandlied viel besungenen Helden übersehen hatte. Na Prosit! Was wird das künftig erst geben, wenn ich jetzt schon Sehenswürdigkeiten am Wegesrand übersehe? Eine Rückkehr zu diesen Zeugnissen des Glaubens und der Geschichte stand für mich außer Frage. „Ultreja“ hieß die Devise. Immer vorwärts!
In der Ortschaft namens Espinal ankommend, erspähte ich eine Telefonzelle, die mich sogleich an meinen versprochenen Anruf nach Hause erinnerte. Nach einem kurzen Anläuten von meinem Handy aus wurde mir ein sofortiger Rückruf zugesagt. Daher ließ ich mein Handy ausnahmsweise eingeschaltet und bog entsprechend den Jakobswegweisern kurz vor Ortschaftsende von der Nationalstraße in die Pampa ab.
Nunmehr war mein Blick geschärft für die zwar langsam jedoch stetig vorbeiziehende Landschaft. Saftig grüne, mit blühendem Löwenzahn überwucherte Wiesen, die sich an Hügeln anschmiegten, gesäumt von einem fernen, zum Teil noch schneebedeckten Bergpanorama erfreuten mein Auge. Wie könnte es anders sein, ging der befestigte Feldweg nach einigen Metern in einen unbefestigten Waldweg über, bei dem man bereits erkennen konnte, dass er durch den langen Regen aufgeweicht sein dürfte. Als ich vor einer großen Sude (Pfütze) stand, die ich wegen den beiden, den Weg einsäumenden Zäunen auch nicht umgehen konnte, galt erneut der Grundsatz: Ultreja! Ein Zurück gab’s nicht! Beim Versuch, das Sudenhindernis möglichst trockenen Fußes zu bewältigen, riss ich mir am Maschendraht ein ca. 1 cm langes Loch in meinen rechten Jackenärmel. Wieder eine Vermögenseinbuße!
Für den weiteren, morastigen Weg wurde ich durch einen wunderschönen Panoramablick entschädigt. Als der Weg wieder in die Nationalstraße einmündete, standen da am Straßenrand drei Radfahrer. Auf meinen Gruß „Hola!“ hin deutete einer der Radfahrer auf meinen Hut und fragte in einem mir bekannten Slang: „Wollen Sie nach Santiago?“ Wie sich während des Gespräches herausstellte, stammten die drei aus dem Raum Ludwigshafen. Als ich über das seit Beginn meiner Reise anhaltende Sauwetter zu schimpfen begann, fiel einer der dreien verwegen mit der Bemerkung mir ins Wort: „Wir hatten die letzten drei Tage schönes Wetter! Petrus muss wohl Pfälzer sein!“ Worauf mir nur zu entgegnen blieb: „Schon möglich! Nur scheint er für uns Schwaben kein Herz zu haben!“
Nach einem gemeinsamen kurzen Auflachen verabschiedeten wir uns und ich setzte meinen Weg entsprechend den Pilgerwegzeichen in einen von der Straße erneut abbiegenden Waldweg fort. Dieses musste ich bald schon bitter bereuen. Der Weg war derart matschig, dass ich meinte, ich würde über einen überschwemmten Acker marschieren. Permanentes hin- und herrutschen, einsinken im Morast bis zu den Knöcheln und dazu noch bei jedem Schritt das Gefühl, der Schuh würde im Schlamm stecken bleiben, verdarb mir für kurze Zeit meinen Spaß an meiner Pilgerschaft. Endlich wieder in die Nationalstraße einmündend marschierte ich diese noch bis Viscarret, das ca. 12,2 km von Roncesvalles entfernt liegt. Dort bezog ich ein Zimmer und legte mich sogleich ins Gemeinschaftsbad. Meine schmutzigen Schuhe durfte ich allerdings nicht mit hinauf aufs Zimmer nehmen. Wie gestern auch tauschte ich meine Wanderkluft gegen seither nur zum Apres getragene Klamotten ein. Es ist einfach angenehm, mit einem Gefühl der Sauberkeit und Frische sich an den Tisch zum Abendessen zu setzen und so den Tag ausklingen zu lassen. Dieses möchte ich auf meiner weiteren Reise beibehalten. Hoffentlich gelingt mir dies besser als mein Vorsatz, gänzlich aufs Rauchen zu verzichten!
Auf meine Frage im Gasthaus hin, wo ich zu Abend essen könne, erhielt ich die Antwort: „Hier!“ So nahm ich im kleinen Speisesaal, in dem ein offenes Kaminfeuer entfacht wurde und für eine wohlige Atmosphäre sorgte, an einem kleinen, für vier Personen ausgelegten Tisch Platz und begann meinen Tagesbericht niederzuschreiben.
Zu einer Dreiviertel Literflasche navarresischen Rotweins wurde mir als Vorspeise ein Salatteller,
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