Jakobsweg
sie, Annabelle ist wirklich mein Sonnenschein.
Grad aus dem Fenster geschaut: heute Nachmittag konnte man den "parque eolico", den großen Windanlagenpark (was bitte ist daran "Park"?), noch prima sehen. Jetzt ist der Berg in dicken Nebelbänken und Regenwolken verschwunden, fast kann man die Wattewolken anfassen. Morgen soll laut Wetterbericht auch noch Sauwetter sein. Egal, ich will in jedem Fall als erstes nach Eunate, obwohl das doch 3,5 km - eine knappe Stunde also - mehr zu laufen sind. Heide, die Hospitalera aus der "Casa Paderborn", hat mir von der überlieferten spirituellen Energie, die in 3 Kreisen in und um diese Kirche geballt sein soll, erzählt:
Man muss sich dem Zentrum von außen nach innen nähern, dem Uhrzeigersinn entgegen, dann innen unter den in der Kuppel befindlichen Löchern im Angesicht der Santa Maria stehen bleiben. Und wenn man sich lösen kann oder will oder muss, dann geht man drei Schritte rückwärts, um die Kirche anschließend auf normalem Wege zu verlassen. Viele Esoteriker bezeichnen die Kirche auch als einen der "Kraftorte" der Erde -neben dem Taj Mahal und Notre Dame de Paris. Man lernt ganz schön was hier.
Man soll es nicht glauben; hier in der Bar meiner Herberge sind Linda und Cristina aus der Casa Paderborn!! Sie haben sich zusammen mit Martin, einem ausgesprochen netten jungen Kanadier, heute Morgen etwa eine halbe Stunde vor mir verabschiedet und sind entsprechend weit weg gewesen, als die Bombe hoch ging. Auch sie sind sehr erschrocken, sie haben den Knall gehört und dann den Rauch gesehen. Und natürlich das ganze Theater gehört, das Polizei, Feuerwehr usw. dann gemacht haben. Wir ALLE sind verstört. Hat ja noch nie jemand erlebt, so etwas. Vielleicht haben wir gleich Gelegenheit, noch ein bisschen zu reden.
Am Schluss meiner Reise weiß ich, dass man den ein oder anderen immer wieder mal trifft, man sagt "Hallo" und geht dann weiter seines Weges. Mit dem ein oder anderen trinkt man vielleicht ein Glas Wein. In manchen Herbergen liegen dicke Bücher aus; Pilger suchen andere Pilger oder hinterlassen Nachrichten, vereinbaren auf diesem Weg Treffpunkte in einem der nächsten Orte. Schön. Ich bin auf meiner ganzen Reise immer wieder auf die unglaublichen Zeichnungen eines koreanischen Pilgers gestoßen, toll war das. Ich hab ihn nie leibhaftig gesehen, immer nur seine kleinen Bilder. "Pilgerfunk" halt.
Cristina z.B. ist ein alter Pilgerfuchs, sie ist den Camino schon zweimal gegangen, einmal den Camino del Norte im, man glaubt es nicht, Norden, dann den Camino Santiago und danach in Portugal den Camino Portugues. Wenn sie diesmal in Finisterre ankommt, geht es gleich weiter nach Indien...
Bueno, ein jeder nach seiner Fasson, mir wäre es schlicht zu viel des Guten. Zu viel Spiritualität und zu wenig Realität. Das O' Lionelle - Öl ist prima - ich schmiere mich komplett damit ein. Gesicht, Haare, Hände, Körper - und vor allem meine Füße. Mal sehen, wie es am Schluss aussieht.
Nach kleinem Abendessen gestern und schönem Rotwein habe ich wunderbare 8 Stunden geschlafen - ICH, wo ich doch nie schlafen kann!! Heute um 8.30 Uhr nach heißer Dusche und Packen ein kleines Frühstück. Ich bin zwar erst den zweiten Tag unterwegs, aber die heiße Dusche wird sich, ebenso wie trockene Wäsche und ein warmes Bett als existentiell und keinesfalls selbstverständlich erweisen!!! Um 9.30 war ich unterwegs - wieder in strömendem Regen und durch tiefen Schlamm. Bei Sonne muss es hier traumschön sein, leider kann man von der Landschaft gar nichts erkennen. Habe mir aus diesem Grund auch Eunate gespart und bin durch Muruzabal direkt nach Obanos und Puente la Reina.
Am Ortseingang von Puente la Reina ist das "Jakue", leider war es geschlossen, wie fast alles jetzt. Daneben gibt es aber ein sehr schönes neues Hostal und dort hab ich einen kleinen Wein und ein Wasser getrunken. Fatalerweise ist meine Jacke kaputt gegangen, der Reißverschluß, und ich war um 12 schon sicknass bis auf die Haut. Bin aber weitergelaufen, nachdem ich mir im einzigen Laden des Ortes eine dicke Jacke und ein Regencape gekauft habe. Zu HORRENDEN Preisen, logisch. Hinter der 1000-jährigen Brücke geht's nach links und nach einem halben Kilometer über 400 Höhenmeter sehr steil (!!) bergauf - durch knietiefen Schlamm, es muss hier wochenlang geregnet haben. Glücklicherweise hab ich mir in Puente la Reina einen richtigen Pilgerstab gekauft, einen großen schweren Stock, mit dem ich mich prima
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