James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
schlafen, wird die Schwester Ihre Arme wieder festbinden müssen. Vor allem ist es wichtig, dass Sie sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Momentan befinden Sie sich in einem schweren geistigen und körperlichen Schockzustand.« Der Arzt hielt inne. »Wie lange wurden Sie gefoltert?«
»Ungefähr eine Stunde«, sagte Bond.
»Dann ist es erstaunlich, dass Sie überhaupt noch leben, und ich beglückwünsche Sie dazu. Wenige Männer hätten das überstanden, was Sie durchgemacht haben. Vielleicht ist Ihnen das ein kleiner Trost. Monsieur Mathis kann Ihnen bestätigen, dass ich im Laufe meiner Karriere einige Patienten behandeln musste, die eine ähnliche Folter erlitten haben, und nicht einer von ihnen hat sich so gut davon erholt wie Sie.«
Der Arzt sah Bond einen Moment lang an und wandte sich dann abrupt an Mathis.
»Sie haben zehn Minuten, danach werde ich Sie wenn nötig mit Gewalt entfernen lassen. Wenn Sie dafür sorgen, dass das Fieber des Patienten steigt, werde ich Sie zur Verantwortung ziehen.«
Er schenkte ihnen ein breites Lächeln und verließ den Raum.
Mathis trat ans Bett und setzte sich auf den Stuhl des Arztes.
»Er ist ein guter Mann«, sagte Bond. »Ich mag ihn.«
»Er arbeitet für das Bureau«, erklärte Mathis. »Er ist ein sehr guter Mann und irgendwann werde ich Ihnen von ihm erzählen. Er hält Sie für ein Wunderkind – und ich tue das ebenfalls.
Doch das kann warten. Wie Sie sich sicher vorstellen können, gibt es einiges zu klären. Ich werde von Paris und natürlich auch von London bedrängt, und durch unseren guten Freund Leiter sogar von Washington. Übrigens«, brach er ab, »ich habe eine persönliche Nachricht von M erhalten. Er hat mich angerufen. Er hat nur gesagt, ich solle Ihnen mitteilen, dass er sehr beeindruckt sei. Ich fragte, ob das alles wäre, und er erwiderte: ‚Nun, sagen Sie ihm, dass das Schatzamt sehr erleichtert ist.‘ Dann hat er aufgelegt.«
Bond grinste zufrieden. Was ihn am meisten freute, war die Tatsache, dass M Mathis persönlich angerufen hatte. Das war noch nie vorgekommen. Ms bloße Existenz, ganz zu schweigen von seiner Identität, wurde nie eingeräumt. Er konnte sich vorstellen, welche Unruhe das in der übermäßig auf Sicherheit bedachten Organisation in London ausgelöst haben musste.
»Ein dünner großer Mann mit nur einem Arm kam am gleichen Tag, an dem wir Sie fanden, aus London her«, fuhr Mathis fort, der aus eigener Erfahrung wusste, dass diese professionellen Einzelheiten Bond mehr als alles andere interessieren und ihm die größte Zufriedenheit bereiten würden. »Er hat die Krankenschwestern besorgt und sich um alles gekümmert. Sogar Ihr Auto lässt er für Sie reparieren. Es schien sich bei ihm um Vespers Boss zu handeln. Er hat sehr viel Zeit mit ihr verbracht und ihr strenge Anweisung gegeben, sich um Sie zu kümmern.«
Der Leiter von S, dachte Bond. Ich bekomme wirklich eine VIP-Behandlung.
»Also«, sagte Mathis, »kommen wir zum Geschäftlichen. Wer hat Le Chiffre getötet?«
»SMERSCH«, antwortete Bond.
Mathis pfiff leise.
»Mein Gott«, sagte er respektvoll. »Also waren sie
tatsächlich
hinter ihm her. Wie sah der Kerl aus?«
Bond erklärte knapp, was bis zu Le Chiffres Tod geschehen war und beschränkte sich dabei aufs Wesentliche. Es kostete ihn große Anstrengung, und er war froh, als er fertig war. Sich an das Geschehene zurückzuerinnern, ließ den ganzen Albtraum noch einmal wach werden. Auf seiner Stirn bildete sich Schweiß, und sein Körper begann schmerzhaft zu pochen.
Mathis erkannte, dass er zu weit gegangen war. Bonds Stimme wurde schwächer, und seine Augen trübten sich. Mathis klappte seinen Stenoblock zu und legte eine Hand auf Bonds Schulter.
»Vergeben Sie mir, mein Freund«, sagte er. »Das ist jetzt alles vorbei, und Sie sind in Sicherheit. Alles ist gut, und der ganze Plan hat hervorragend funktioniert. Wir haben verkündet, dass Le Chiffre seine beiden Komplizen erschossen und dann Selbstmord begangen hat, weil er sich keiner Untersuchung der Gewerkschaftsfonds stellen wollte. Straßburg und der Norden befinden sich in Aufruhr. Er wurde dort als großer Held angesehen und galt als Stütze der kommunistischen Partei in Frankreich. Die Geschichten über Bordelle und Casinos haben seiner Organisation den Boden unter den Füßen weggezogen, und sie laufen alle umher wie aufgescheuchte Hühner. Momentan verbreitet die kommunistische Partei, dass er nicht zurechnungsfähig war. Doch das
Weitere Kostenlose Bücher