James Bond 01 - Casino Royale (German Edition)
und legte ihre Hand auf seine. »Ich war nur ein wenig sentimental. Jedenfalls scheint meine Insel heute Nacht sehr nah an deiner Insel zu liegen.« Sie trank einen Schluck Champagner.
Bond lachte erleichtert. »Tun wir uns zusammen und bilden eine Halbinsel«, schlug er vor. »Jetzt sofort, gleich nachdem wir die Erdbeeren aufgegessen haben.«
»Nein«, widersprach sie neckisch. »Ich muss noch einen Kaffee trinken.«
»Und einen Brandy«, konterte Bond.
Der kleine Schatten war vorübergezogen. Der zweite kleine Schatten. Auch dieser ließ ein winziges Fragezeichen zurück. Es löste sich schnell auf, als die Wärme und Intimität sie wieder umschlossen.
Nachdem beide einen Kaffee getrunken hatten und Bond an seinem Brandy nippte, nahm Vesper ihre Handtasche, erhob sich und stellte sich hinter ihn.
»Ich bin müde«, sagte sie und legte eine Hand auf seine Schulter.
Er griff nach oben und hielt sie dort fest, und für eine Weile verharrten sie reglos in dieser Pose. Sie beugte sich vor und fuhr sanft mit ihren Lippen über sein Haar. Dann war sie verschwunden, und ein paar Sekunden später ging das Licht in ihrem Zimmer an.
Bond rauchte und wartete, bis es wieder ausgeschaltet wurde. Dann ging er ihr nach und hielt nur kurz inne, um dem Gastwirt und seiner Frau eine gute Nacht zu wünschen und ihnen für das Abendessen zu danken. Sie wünschten ihm ebenfalls eine gute Nacht, und er ging nach oben.
Es war erst halb zehn, als er ihr Zimmer durch das Bad betrat und die Tür hinter sich schloss.
Das Mondlicht schien durch die halb geschlossenen Fensterläden und umspielte die geheimen Schatten ihres weißen Körpers auf dem breiten Bett.
Bond erwachte bei Sonnenaufgang in seinem eigenen Zimmer, lag eine Weile einfach nur da und schwelgte in seinen Erinnerungen.
Dann stand er leise auf, schlich in seinem Pyjamaoberteil an Vespers Tür vorbei, verließ das Haus und ging zum Strand.
Das Meer lag glatt und still unter der aufgehenden Sonne. Die kleinen pinken Wellen rollten müßig über den Sand. Es war kalt, aber er zog sein Oberteil aus und wanderte nackt am Rand des Meeres entlang bis zu der Stelle, an der er am Abend zuvor gebadet hatte. Dann ging er bewusst langsam ins Wasser, bis es ihm bis zum Kinn reichte. Er hob seine Füße vom Grund und sank nach unten, wobei er sich mit einer Hand die Nase zuhielt und die Augen zukniff. Er spürte, wie das kalte Wasser seinen Körper umgab und durch sein Haar strich.
Die spiegelglatte Oberfläche der Bucht war völlig unberührt, bis auf eine Stelle, an der ein Fisch aus dem Wasser gesprungen und wieder eingetaucht zu sein schien. Unter Wasser stellte er sich diese friedliche Szenerie vor und wünschte, Vesper würde in diesem Moment zwischen den Pinien hervorkommen, damit sie überrascht sein würde, wenn er plötzlich durch die stille Wasseroberfläche brach.
Als er nach einer vollen Minute in einem Schwall aus Gischt an die Oberfläche zurückkehrte, wurde er enttäuscht. Weit und breit war niemand zu sehen. Eine Weile schwamm er umher oder ließ sich treiben, und als ihm die Sonne heiß genug erschien, kehrte er an den Strand zurück, legte sich auf den Rücken und schwelgte in dem Körper, den die vergangene Nacht ihm zurückgegeben hatte.
Wie schon am Abend zuvor starrte er in den leeren Himmel hinauf und fand dort die gleiche Antwort.
Nach einer Weile stand er auf und ging langsam zu seinem Pyjamaoberteil zurück.
Heute würde er Vesper bitten, ihn zu heiraten. Er war sich ganz sicher. Es ging nur darum, den richtigen Moment dafür zu finden.
DIE SCHWARZE AUGENKLAPPE
Als er leise von der Terrasse ins Halbdunkel des noch geschlossenen Esszimmers trat, war er überrascht, Vesper zu sehen, die aus der gläsernen Telefonzelle in der Nähe des Eingangs kam und langsam auf die Treppe zu ihren Zimmern ging.
»Vesper!«, rief er, da er dachte, dass sie eine dringende Botschaft erhalten hatte, die sie beide etwas angehen könnte.
Schnell drehte sie sich um, eine Hand vor den Mund haltend.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn einen Moment länger als nötig an.
»Was ist los, Liebling?«, fragte er. Welche Krise konnte nun in ihr Leben gedrungen sein?
»Oh«, sagte sie atemlos, »du hast mich erschreckt. Es war nur … ich habe nur Mathis angerufen. Mathis«, wiederholte sie. »Ich habe ihn gefragt, ob er mir vielleicht ein zweites Kleid besorgen kann. Du weißt schon, von dieser Freundin, von der ich dir erzählt habe. Die
vendeuse
. Weißt
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