James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
Augen. Er und seine Luftblasen machten sie offensichtlich neugierig, also schwammen sie um ihn herum wie ein Rudel lautloser Wölfe. Als Bond die erste Koralle erreichte, die bedeutete, dass er sich der Insel näherte, waren es bereits ungefähr zwanzig, die ihn aufmerksam umkreisten.
Bond bekam selbst unter der Gummihaut des Taucheranzugs eine Gänsehaut, aber er konnte nichts tun, also konzentrierte er sich auf sein Ziel.
Plötzlich befand sich im Wasser über ihm eine lange metallische Form. Und dahinter ragte ein Haufen Bruchsteine auf, die steil nach oben führten.
Es war der Kiel der
Secatur
, und Bonds Herz machte einen Sprung.
Er warf einen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk. Es war drei Minuten nach elf. Er wählte die Sieben-Stunden-Zündschnur aus der Handvoll Schnüre, die er aus einer Seitentasche gezogen hatte, und steckte sie in den Zündersitz. Die restlichen Kabel vergrub er im Sand, sodass sie die Mine nicht verraten würden, falls man ihn schnappen sollte.
Während er hinaufschwamm und dabei die Mine mit der Unterseite nach oben zwischen seinen Händen hielt, bemerkte er im Wasser hinter sich einen Tumult. Ein Barrakuda schoss mit halb geöffnetem Maul vorbei. Er prallte fast gegen ihn, da sein Blick auf etwas hinter ihm fixiert zu sein schien. Doch Bond konzentrierte sich nur auf die Mitte des Schiffskiels und auf einen Punkt etwa zehn Meter darüber.
Die Mine zog ihn die letzten paar Meter fast, da sich ihr großer Magnet nach dem metallischen Kuss mit der Schiffshülle sehnte. Bond musste dagegenhalten, um ein lautes Geräusch beim Kontakt zu verhindern. Dann war sie lautlos in Position gebracht, und ohne ihr Gewicht war es für Bond plötzlich um einiges schwerer, gegen seinen neuen Auftrieb anzuschwimmen, um wieder auf den Meeresgrund zu gelangen.
Während er in Richtung der Doppelschiffsschraube schwamm, um wieder zwischen den Felsen Deckung zu suchen, sah er plötzlich die schrecklichen Dinge, die sich hinter ihm ereignet hatten.
Der große Schwarm Barrakudas schien wahnsinnig geworden zu sein. Sie wirbelten und schnappten im Wasser umher wie tollwütige Hunde. Drei Haie hatten sich dem Blutrausch angeschlossen und rasten ein wenig schwerfälliger herum. Die grässlichen Fische ließen das Wasser richtiggehend brodeln, und Bond wurde innerhalb weniger
Meter immer wieder angestoßen und im Gesicht getroffen. Jeden Moment würde sein Taucheranzug zusammen mit der Haut darunter aufplatzen und dann würde sich der Schwarm auf ihn stürzen.
»Extremes Mobverhalten.« Die Formulierung des Marineministeriums schoss Bond durch den Kopf. Genau jetzt hätte er das Haiabwehrmittel gebraucht. Ohne es hatte er vielleicht nur noch ein paar Minuten zu leben.
Verzweifelt kämpfte er sich am Schiffskiel entlang durchs Wasser. Dabei hatte er die Harpunenkanone die ganze Zeit über entsichert. Doch angesichts dieses Schwarms rasender menschenfressender Fische wirkte sie wie eine Spielzeugpistole.
Er erreichte die große Doppelschiffsschraube und hängte sich daran. Er keuchte, und sein Gesicht war zu einer Fratze der Angst verzerrt. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er den Wahnsinn des brodelnden Meers um sich herum.
Sofort sah er, dass die Mäuler der umherrasenden Raubfische halb offen standen und dass sie sich immer wieder in eine bräunliche Wolke stürzten, die sich von der Oberfläche aus nach unten ausbreitete. Ganz in seiner Nähe verharrte kurz ein Barrakuda, der etwas bräunlich Glitzerndes zwischen seinen Zähnen hatte. Er schluckte und schoss wieder in das Gewühl.
Gleichzeitig bemerkte Bond, dass es immer dunkler wurde.
Er sah auf und erkannte mit Schrecken, dass die Quecksilberoberfläche des Meers ganz rot geworden war, ein grauenerregendes schimmerndes Scharlachrot.
Aus der Wolke trieben kleine Stückchen auf ihn zu. Mit der Spitze seiner Harpune manövrierte er eines davon zu sich heran.
Es bestand kein Zweifel.
Über ihm schüttete jemand Blut und Innereien ins Meer.
DIE HÖHLE DES BLOODY MORGAN
Sofort wurde Bond klar, warum sich all diese Barrakudas und Haie in der Nähe der Insel aufhielten, wie sie durch diesen nächtlichen Festschmaus in einem konstanten Blutrausch gehalten wurden, und warum diese drei Männer gegen jede Vernunft von Raubfischen halb zerfressen waren, als sie an Land gespült wurden.
Mr Big hatte sich einfach so die Kräfte des Meeres zu seinem Schutz untertan gemacht. Es war ein für ihn typischer Einfall – fantasievoll, praktisch
Weitere Kostenlose Bücher