James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
auf den Beinen war, kämpfte er darum, sich zu befreien. Doch die Fangarme gaben keinen Zentimeter nach, und seine Bewegung gab dem Tier Gelegenheit, Bonds Beine noch weiter unter den Überhang des runden Felsens zu ziehen. Die Stärke des Oktopus war erstaunlich, und Bond spürte, wie er das Gleichgewicht verlor. Gleich würde er vornüberkippen, und durch die Mine an seiner Brust und die Zylinder auf seinem Rücken würde es nahezu unmöglich werden, an das Tier heranzukommen.
Bond zog seinen Dolch aus dem Gürtel und stach damit auf die Tentakel ein. Aber der Überhang des Felsens schränkte seine Bewegungsfreiheit ein, und er hatte Angst, seinen Anzug zu beschädigen. Plötzlich kippte er um und lag auf dem Sand. Sofort wurden seine Füße in Richtung eines breiten Felsspalts gezerrt. Er wühlte im Sand und versuchte sich herumzudrehen, um mit seinem Dolch näher an das Tier heranzukommen. Doch die an seine Brust geklebte Mine verhinderte es. Am Rande der Panik fiel ihm die Harpunenkanone wieder ein. Zuvor hatte er sie auf diese kurze Entfernung als überflüssige Waffe angesehen, aber nun war sie seine einzige Chance. Sie lag noch dort auf dem Boden, wo er sie hingelegt hatte. Er griff danach und legte die Sicherung um. Die Mine hielt ihn davon ab, zielen zu können. Irgendwie gelang es ihm, den Lauf nach unten zu bekommen. Sofort packte ein Tentakel die Stahlspitze und begann daran zu ziehen. Die Waffe rutschte zwischen seine gefesselten Füße, und er drückte blind auf den Abzug.
Sofort strömte eine große Wolke dickflüssiger Tinte aus dem Felsspalt auf sein Gesicht zu. Aber ein Bein war frei, gefolgt vom zweiten. Schnell brachte er sie unter sich und schnappte sich den Griff der fast einen Meter langen Harpune, die halb unter dem Felsen verschwunden war. Er zog und zerrte, bis sie sich, begleitet vom unangenehmen Gefühl zerreißenden Fleisches, aus dem schwarzen Nebel löste, der über dem Loch hing. Schwer atmend erhob er sich und entfernte sich vom Felsen. Unter der Maske war sein Gesicht schweißbedeckt. Über ihm stieg der verräterische Strom silberner Luftblasen geradewegs zur Oberfläche, und er verfluchte den verwundeten Oktopus in seiner Höhle.
Aber er hatte keine Zeit, sich weiter mit ihm zu beschäftigen. Er lud die Kanone neu und machte sich mit dem Mond über seiner rechten Schulter wieder auf den Weg.
Nun kam er im dunstigen grauen Wasser ganz gut voran, und er konzentrierte sich nur darauf, sein Gesicht ein paar Zentimeter über dem Sandboden zu halten und seinen Kopf dabei so gut es ging in Stromlinienform mit seinem Körper zu bringen. Einmal sah er aus dem Augenwinkel einen Stachelrochen, so groß wie eine Tischtennisplatte, der ihm aus dem Weg ging. Die Spitzen seiner großen gefleckten Flossen schlugen wie die Flügel eines Vogels, gefolgt von seinem langem stachelbewehrten Schwanz. Aber er schenkte ihm keine Aufmerksamkeit, da er sich daran erinnerte, wie Quarrel gesagt hatte, dass Rochen außer zur Selbstverteidigung niemals angriffen. Er dachte sich, dass das Tier wahrscheinlich über das äußere Riff hergekommen war, um seine Eier auf dem geschützten Sandboden abzulegen. Diese wurden wegen ihrer Form von den Fischern Nixentaschen genannt.
Über den mondlichthellen Boden bewegten sich viele Schatten großer Fische, einige davon so lang wie er selbst. Als ihm einer mindestens eine Minute lang folgte, blickte er auf und sah den weißen Bauch eines Hais drei Meter über sich wie ein graublaues Luftschiff. Das Tier hatte seine stumpfe Schnauze neugierig in Bonds Strom aus Luftblasen gesteckt. Das breite sichelförmige Maul wirkte wie eine hervortretende Narbe. Der Fisch neigte sich zur Seite und blickte mit einem starren schwarzen Auge auf ihn herab, dann wackelte er mit seiner großen sensenförmigen Schwanzflosse und bewegte sich langsam auf die Wand aus grauem Nebel zu.
Er schreckte eine Familie aus Tintenfischen auf, von drei Kilo schweren Exemplaren bis zu knapp zweihundert Gramm leichten Jungtieren, die im Dämmerlicht zart und durchscheinend wirkten. Sie hatten fast senkrecht hintereinander in Wasser gehangen. Doch nun schossen sie stromlinienförmig davon.
Auf halber Strecke ruhte sich Bond noch einmal aus und bewegte sich dann weiter. Nun näherten sich Barrakudas, große Exemplare von bis zu drei Kilo. Sie wirkten genauso tödlich wie er sie in Erinnerung hatte. Sie glitten über ihn hinweg wie silberne U-Boote, und beobachteten ihn mit ihren grausamen goldenen
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