James Bond 04 - Diamantenfieber (German Edition)
schaute auf seine Liste, öffnete ein Päckchen und schob es zu Bond herüber. »Was Sie sich gerade angesehen haben, war das Edelste – ein ‚River‘.« Er deutete auf den großen Diamanten vor Bond. »Das da ist ein sogenannter ‚Top Crystal‘, zehn Karat, Baguetteschliff. Ein sehr schöner Stein, aber er ist nur etwa die Hälfte des ‚River‘ wert. Sie werden feststellen, dass er einen hauchfeinen Gelbstich hat. Der ‚Cape‘, den ich Ihnen als Nächstes zeigen werde, weist Jacoby zufolge eine leichte Brauntönung auf, aber ich kann sie ums Verrecken nicht erkennen. Ich bezweifle, dass das abgesehen von den Experten irgendjemand kann.«
Bond hob folgsam den »Top Crystal« auf, und im Verlauf der nächsten Viertelstunde führte ihn M durch die ganze Bandbreite der Diamanten, bis hin zu einer wundervollen Reihe bunter Steine, die rubinrot, blau, pink, gelb, grün und violett waren. Schließlich schob ihm M ein Päckchen mit kleineren Steinen hin, die allesamt Einschlüsse enthielten, fehlerhaft oder von schlechter Farbe waren. »Industriediamanten. Nicht das, was man ‚Edelsteinqualität‘ nennt. Sie finden in Maschinenwerkzeugen und so weiter Verwendung. Aber man sollte sie nicht verachten. Amerika hat letztes Jahr eine Menge im Wert von fünf Millionen Pfund gekauft, und das ist nur einer der Märkte. Bronsteen erzählte mir, dass Steine wie diese für die Grabung des Gotthard-Straßentunnels eingesetzt wurden. Außerdem benutzen Zahnärzte sie, um damit in Zähnen herumzubohren. Sie sind die härteste Substanz der Welt und halten ewig.«
M holte seine Pfeife hervor und fing an, sie zu stopfen. »Und nun wissen Sie so viel über Diamanten wie ich.«
Bond lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte auf die Taschentücher und die funkelnden Steine, die vor ihm auf der roten Lederoberfläche von Ms Schreibtisch verteilt lagen. Er fragte sich, worum es bei der ganzen Sache ging.
Das Schaben eines Streichholzes an einer Schachtel erklang, und Bond beobachtete, wie M den brennenden Tabak tiefer in den Kopf seiner Pfeife stopfte und die Streichholzschachtel zurück in seine Tasche steckte. Dann lehnte er sich so auf seinem Stuhl zurück, wie er es immer tat, wenn er nachdenken wollte.
Bond schaute auf seine Uhr. Es war elf Uhr dreißig. Bond dachte mit Freude an die Ablage für Eingänge, die voller streng geheimer Akten war, die er nur zu gern liegen gelassen hatte, als das rote Telefon ihn vor einer Stunde herbestellt hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass er sich jetzt nicht mehr um sie kümmern musste. »Ich schätze, es geht um einen Auftrag«, hatte der Stabschef auf Bonds Nachfrage geantwortet. »Der Chef meinte, er würde vor dem Mittagessen keine Anrufe mehr entgegennehmen, und er hat für Sie um vierzehn Uhr einen Termin bei Scotland Yard gemacht. Beeilen Sie sich.« Und Bond hatte sich seinen Mantel geschnappt und war ins Vorzimmer hinausgetreten, wo er erfreut festgestellt hatte, dass seine Sekretärin gerade eine neue dicke Aktenmappe mit dem Vermerk »sehr dringend« als eingegangen verzeichnete.
»M«, erklärte Bond, als sie aufsah. »Und Bill meinte, es sehe nach einem Auftrag aus. Also glauben Sie ja nicht, dass Sie die Freude haben werden, diesen Packen in meine Eingangsablage zu hieven. Meinetwegen können Sie die Akte an den
Daily Express
schicken.« Er grinste sie an. »Ist dieser Sefton Delmer nicht ein spezieller Freund von Ihnen, Lil? Ich würde meinen, das da ist genau das Richtige für ihn.«
Sie betrachtete ihn abschätzend. »Ihre Krawatte sitzt schief«, bemerkte sie kühl. »Und überhaupt kenne ich ihn kaum.« Sie beugte sich über ihr Verzeichnis, und Bond ging in den Flur hinaus und dachte darüber nach, wie glücklich er sich schätzen konnte, eine schöne Sekretärin zu haben.
Ms Stuhl knarrte, und Bond sah über den Schreibtisch zu dem Mann, dem er eine Menge seiner Zuneigung und all seine Loyalität und seinen Gehorsam entgegenbrachte.
Die grauen Augen starrten nachdenklich zurück. M nahm die Pfeife aus dem Mund. »Seit wann sind Sie wieder aus diesem Urlaub in Frankreich zurück?«
»Seit zwei Wochen, Sir.«
»Hatten Sie eine angenehme Zeit?«
»Es war nicht schlecht, Sir. Gegen Ende wurde es etwas langweilig.«
M kommentierte diese Aussage nicht. »Ich habe mir Ihre Dienstakte angesehen. Im Umgang mit Handfeuerwaffen scheinen Sie immer noch in Topform zu sein. Die Fähigkeiten im unbewaffneten Nahkampf sind zufriedenstellend, und Ihrer letzten
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