James Bond 04 - Diamantenfieber (German Edition)
dass er diesen Spang bisher vielleicht unterschätzt hatte.
Das Innere des Salonwagens strahlte in viktorianischem Luxus. Das Licht der kleinen Kristallkronleuchter an der Decke wurde von den polierten Mahagoniwänden zurückgeworfen und spiegelte sich auf silbernen Beschlägen, Vasen aus geschliffenem Glas und Leuchtern. Die Teppiche und verzierten Vorhänge waren weinrot, und die gewölbte Decke, die in regelmäßigen Abständen von oval gerahmten Gemälden mit bekränzten Putten und Blumengewinden vor einem Hintergrund aus Himmel und Wolken unterbrochen wurde, war cremefarben gehalten, genauso wie die Lamellen der zugezogenen Jalousien.
Als Erstes kam ein kleiner Speiseraum mit den Überresten eines Abendessens für zwei – ein Korb mit Obst und eine offene Champagnerflasche in einem silbernen Kühler – dann ein schmaler Korridor, von dem drei Türen abgingen – zum Bad und zu den Schlafzimmern, wie Bond vermutete. Bond dachte immer noch über die Einrichtung des Waggons nach, als er, dicht gefolgt von den Wachmännern, die Tür zum Prunkzimmer aufstieß.
Am hinteren Ende stand Mr Spang mit dem Rücken zu einem kleinen offenen Kamin, der von Bücherregalen voller goldgeprägter Lederbände flankiert wurde. In einem roten Ledersessel neben einem kleinen Schreibtisch etwa in der Mitte des Raums saß Tiffany Case in kerzengerader Haltung. Bond gefiel nicht, wie sie ihre Zigarette hielt. Es wirkte nervös und gekünstelt. Es wirkte verängstigt.
Bond ging ein paar Schritte weiter zu einem bequemen Stuhl. Er drehte ihn herum, damit er den beiden zugewandt war, setzte sich und schlug die Beine übereinander. Er zog sein Zigarettenetui hervor, entzündete eine Zigarette und nahm einen tiefen Lungenzug, bevor er den Rauch durch die Zähne wieder ausstieß. In der Mitte von Mr Spangs Mund steckte eine nicht brennende Zigarre. Er nahm sie heraus. »Bleib hier, Wint. Kidd, verschwinde und tu, was ich dir gesagt habe.« Die großen Zähne bissen die Worte ab wie Stücke von einer Selleriestange. »Nun zu Ihnen.« Seine Augen funkelten Bond zornig an. »Wer sind Sie, und was geht hier vor sich?«
»Wenn Sie mit mir reden wollen, brauche ich zuerst was zu trinken«, erwiderte Bond.
Mr Spang bedachte ihn mit einem kalten Blick. »Besorg ihm was, Wint.«
Bond wandte den Kopf zur Seite. »Einen Bourbon mit Flusswasser«, sagte er. »Halb und halb.«
Bond hörte ein wütendes Knurren und dann das Knarren der Holzdielen, als sich der schwere Mann durch den Salonwagen entfernte.
Bond gefiel Mr Spangs Frage nicht besonders. Er ging ein weiteres Mal seine Geschichte durch. Sie klang immer noch plausibel. Er rauchte und sah Mr Spang an, der ihn aufmerksam musterte.
Dann kam der Drink. Der Wachmann drückte ihm das Glas mit einer heftigen Bewegung in die Hand, sodass ein Teil des Inhalts auf den Teppich schwappte. »Vielen Dank, Wint«, sagte Bond. Er nahm einen tiefen Schluck. Es schmeckte stark und gut. Er trank noch einmal. Dann stellte er das Glas neben sich auf den Boden.
Er blickte wieder auf und betrachtete das angespannte harte Gesicht. »Ich mag es einfach nicht, unter Druck gesetzt zu werden«, erklärte er völlig ruhig. »Ich habe meine Arbeit gemacht und wurde bezahlt. Wenn ich beschließe, mit dem Geld zu spielen, ist das meine Sache. Ich hätte es verlieren können. Und als mir einige von Ihren Männern zu dicht auf die Pelle rückten, wurde ich ungeduldig. Wenn Sie mit mir reden wollten, hätten Sie mich einfach anrufen können. Mich beschatten zu lassen, war sehr unfreundlich. Und als die Leute grob wurden und herumballerten, dachte ich, es wäre an der Zeit, selber etwas Druck zu machen.«
Das schwarz-weiße Gesicht vor den farbigen Büchern entspannte sich nicht. »Sie haben die Botschaft nicht kapiert, Kumpel«, sagte Mr Spang leise. »Ich sollte Sie vielleicht auf den neuesten Stand bringen. Hab gestern ein codiertes Signal aus London bekommen.« Er legte die Hand an die Brusttasche seines schwarzen Westernhemds und zog langsam einen Zettel heraus, ohne den Blickkontakt zu Bond abzubrechen.
Bond war klar, dass der Zettel nur eine schlechte Nachricht bedeuten konnte, eine richtig schlechte Nachricht, so sicher, wie wenn man das Wort »zutiefst« in der ersten Zeile eines Telegramms las.
»Es stammt von einem guten Freund in London«, sagte Mr Spang. Er löste sich langsam von Bonds Augen und blickte auf den Zettel. »Hier heißt es: ‚Aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass Peter Franks aus nicht
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