James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
nichts«, antwortete M nachdrücklich. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete damit auf den Stabschef. »Richtig?«
»Richtig, Sir«, antwortete der Stabschef. »Nur diese verdammte Vogelgeschichte.«
»Ach das«, sagte M verächtlich. »Irgendein Quatsch vom Zoo oder sonst wem. Wurde uns vom Kolonialministerium aufgehalst. Vor ungefähr sechs Wochen, oder?«
»Das ist richtig, Sir. Aber es war nicht der Zoo. Sondern eine Gruppe aus Amerika, die sich die Audubon-Gesellschaft nennt. Sie bewahren seltene Vögel vor der Ausrottung oder so etwas. Sie sind an unseren Botschafter in Washington herangetreten, und das Außenministerium hat die Sache auf das Kolonialministerium abgewälzt. Und die auf uns. Scheinbar sind diese Vogelschützer in Amerika ziemlich einflussreich. Sie haben sogar dafür gesorgt, dass ein Atombombentestgelände an der Westküste verlegt wurde, weil es ein paar Nistplätze beeinträchtigt hätte.«
M schnaubte. »Das verdammte Vieh heißt Schreikranich. Habe in der Zeitung davon gelesen.«
Bond hakte nach: »Können Sie mir Genaueres erzählen, Sir? Was wollten diese Audubon-Leute von uns?«
M wedelte ungeduldig mit seiner Pfeife herum. Er nahm die Strangways-Akte und warf sie vor dem Stabschef auf den Tisch. »Erklären Sie es ihm«, sagte er erschöpft. »Da steht alles drin.«
Der Stabschef nahm die Akte und blätterte die hinteren Seiten durch. Er fand, was er gesucht hatte, und schlug die Akte richtig auf. Es herrschte Schweigen, während er drei maschinengeschriebene Seiten überflog. Bond konnte erkennen, dass sie alle mit dem blau-weißen Codeschlüssel des Kolonialministeriums gekennzeichnet waren. Er saß still da und versuchte, sich durch Ms wachsende Ungeduld nicht nervös machen zu lassen.
Der Stabschef schlug die Akte zu. »Also, das ist die Geschichte, die wir am zwanzigsten Januar an Strangways weitergegeben haben. Er bestätigte ihren Empfang, aber danach haben wir nichts mehr davon gehört.« Der Stabschef lehnte sich zurück und sah Bond an. »Es gibt offenbar einen Vogel namens Rosalöffler. Hier drin ist ein Farbfoto. Sieht wie ein rosa Storch aus mit einem hässlichen flachen Schnabel, den er benutzt, um im Schlamm nach Nahrung zu graben. Noch vor wenigen Jahren waren diese Vögel vom Aussterben bedroht. Kurz vor dem Krieg gab es weltweit nur noch ein paar Hundert Exemplare, hauptsächlich in Florida. Dann berichtete jemand von einer Kolonie auf einer Insel namens Crab Key zwischen Jamaika und Kuba. Es handelt sich um britisches Territorium – eine jamaikanische Kolonie. Sie wurde als Guanoinsel benutzt, aber die Qualität des Guanos war zu gering, um die Kosten für den Abbau zu rechtfertigen. Als die Vögel dort gefunden wurden, war die Insel seit fünfzig Jahren unbewohnt. Die Audubon-Gesellschaft schickte Leute dorthin und pachtete schließlich eine Ecke als Schutzgebiet für die Rosalöffler. Sie setzte zwei Wächter ein und überredete die Fluggesellschaften, nicht mehr über die Insel zu fliegen, damit die Tiere nicht gestört wurden. Die Vögel vermehrten sich prächtig, und bei der letzten Zählung kam man auf fünftausend Stück. Dann kam der Krieg. Der Preis für Guano stieg, und irgendein Schlaukopf kam auf die Idee, die Insel zu kaufen und wieder mit dem Abbau zu beginnen. Er verhandelte mit der jamaikanischen Regierung und kaufte die Insel für zehntausend Pfund, unter der Bedingung, dass er die Pacht des Schutzgebiets nicht beeinträchtigte. Das war 1943. Nun, dieser Mann brachte eine Menge Billigarbeiter auf die Insel und erwirtschaftete schon bald Profit. Doch vor Kurzem fiel der Guanopreis wieder, und man nimmt an, dass er es schwer hat, seine Kosten zu decken.«
»Wer ist dieser Mann?«
»Ein Chinese. Oder besser gesagt, halb Chinese, halb Deutscher. Hat einen dämlichen Namen. Nennt sich selbst Dr. No – Doktor Julius No.«
»No? So wie Nein?«
»So ist es.«
»Was wissen wir über ihn?«
»Nicht viel, außer dass er sehr viel Wert auf seine Privatsphäre legt. Seit seinem Geschäft mit der jamaikanischen Regierung wurde er nicht mehr gesehen. Und es herrscht kein Verkehr zur oder von der Insel. Sie gehört ihm. Er sagt, er will nicht, dass Fremde die Vögel stören, die seinen Guano produzieren. Klingt einleuchtend. Tja, das war der Stand, bis kurz vor Weihnachten einer der Audubon-Wächter, der von Barbados stammte – offenbar ein anständiger, solider Bursche –, mit seinem Kanu an der Nordküste Jamaikas ankam. Er war sehr stark
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