James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
Export.«
»Sind Sie privat oder geschäftlich hier?«
»Privat.«
»Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt, Sir.« Der schwarze Beamte gab Bond seinen Ausweis gleichgültig wieder zurück.
»Danke sehr.«
Bond betrat die Zollhalle. Sofort bemerkte er den großen dunkelhäutigen Mann hinter der Barriere. Er trug das gleiche verwaschene blaue Hemd und wahrscheinlich auch die gleiche Khakihose wie vor fünf Jahren, als Bond ihn kennengelernt hatte.
»Quarrel!«
Hinter der Absperrung breitete sich auf dem Gesicht des Kaiman-Insulaners ein Grinsen aus. Er hob seinen rechten Unterarm über seine Augen. Es war der alte Gruß der Karibik. »Wie geht’s, Cap’n?«, rief er erfreut.
»Prima«, antwortete Bond. »Ich warte noch auf mein Gepäck. Sind Sie mit dem Wagen da?«
»Na klar, Cap’n.«
Der Zollbeamte, der Quarrel kannte – was bei den meisten Männern aus dem Hafenbezirk der Fall war –, winkte Bonds Koffer durch, ohne ihn zu öffnen, und Bond nahm ihn entgegen und ging damit durch die Schranke. Quarrel nahm Bond den Koffer wieder ab und streckte ihm seine rechte Hand entgegen. Bond ergriff die warme, trockene Pranke und blickte in die dunkelgrauen Augen, die Quarrels Abstammung von Cromwell’schen Soldaten oder Freibeutern aus Morgans Zeiten verrieten. »Sie haben sich nicht verändert, Quarrel«, sagte er herzlich. »Wie läuft das Schildkrötenfischen?«
»Nicht gut und nicht schlecht, Cap’n. Wie immer.« Er musterte Bond kritisch. »Waren Sie krank oder so was?«
Bond war überrascht. »Ja, das war ich tatsächlich. Aber seit ein paar Wochen geht es mir wieder gut. Warum fragen Sie?«
Quarrel war peinlich berührt. »Tut mir leid, Cap’n.« Offensichtlich befürchtete er, Bond beleidigt zu haben. »Sie haben seit dem letzten Mal ein paar neue Sorgenfalten bekommen.«
»Ach ja«, sagte Bond. »Es war nichts Besonderes. Aber ich könnte Ihr Training gebrauchen, da ich momentan nicht so fit bin, wie ich sein sollte.«
»Na klar, Cap’n.«
Sie gingen auf den Ausgang zu, als plötzlich ein Blitzlicht aufflammte und das Klicken einer Kamera zu hören war. Eine hübsche Chinesin in jamaikanischer Tracht ließ ihre Speed Graphic sinken und kam auf sie zu. Mit gekünsteltem Charme sagte sie: »Vielen Dank, meine Herren. Ich bin vom
Daily Gleaner
.« Sie warf einen Blick auf die Liste in ihrer Hand. »Mister Bond, richtig? Und wie lange werden Sie bei uns bleiben, Mister Bond?«
Bond fühlte sich überrumpelt. Kein guter Anfang. »Bin nur auf der Durchreise«, antwortete er knapp. »Es waren sehr viel interessantere Passagiere mit mir an Bord.«
»Oh nein, sicher nicht, Mister Bond. Sie sehen ziemlich wichtig aus. Und in welchem Hotel werden Sie übernachten?«
Verdammt, dachte Bond. Er antwortete: »Myrtle Bank« und ging weiter.
»Vielen Dank, Mister Bond«, rief ihm die helle Stimme hinterher. »Ich wünsche Ihnen einen schönen …«
Dann waren sie draußen. Während sie Richtung Parkplatz gingen, fragte er: »Haben Sie die Kleine schon mal am Flughafen gesehen?«
Quarrel überlegte. »Ich glaub nicht, Cap’n. Aber der
Gleaner
hat ’ne Menge Kameramädchen.«
Bond war ein wenig beunruhigt. Es gab absolut keinen Grund, warum die Presse sein Foto haben wollen könnte. Sein letztes Abenteuer auf der Insel war fünf Jahre her, und sein Name war aus den Zeitungen herausgehalten worden.
Sie kamen am Wagen an. Es war ein schwarzer Sunbeam Alpine. Bond musterte ihn und warf dann einen Blick auf das Nummernschild. Es handelte sich um Strangways’ Auto. Was sollte das? »Wo haben Sie den her, Quarrel?«
»Der Adjutant hat mir gesagt, dass ich ihn nehmen soll, Cap’n. Es wäre der einzige freie Wagen. Warum, Cap’n? Ist er nicht gut?«
»Doch, doch, Quarrel«, erwiderte Bond resigniert. »Kommen Sie, lassen Sie uns aufbrechen.«
Bond setzte sich auf den Beifahrersitz. Es war ganz allein seine Schuld. Er hätte sich denken können, dass er dieses Auto bekommen würde. Aber es würde unausweichlich die Aufmerksamkeit auf ihn und sein Tun auf Jamaika lenken.
Sie fuhren über die von Kakteen gesäumte Straße auf die entfernten Lichter von Kingston zu. Normalerweise hätte Bond sich zurückgelehnt und die Schönheit der Insel genossen – das beständige Zirpen der Grillen, die warme, duftende Luft, die Kette schimmernder Lichter am Hafen – doch stattdessen verfluchte er seine Sorglosigkeit. Ihm war jetzt klar, was er besser nicht getan hätte.
Was er getan
hatte
, war eine Nachricht
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