James Bond 14 - Octopussy (German Edition)
Leben ebenso gut genießen, solange ihm noch Zeit dafür blieb! In Zukunft würde er nicht mehr viele dieser Drinks bekommen. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück und zündete sich seine zwanzigste Zigarette des Tages an. Er schaute auf seine Uhr. Es war halb zwölf. Wenn er den Kerl innerhalb der nächsten Stunde loswerden konnte, hätte er noch genug Zeit mit seinen Fischen. Er saß da, trank und ordnete seine Gedanken. Er konnte die Geschichte lang oder kurz machen, Beschreibungen des Wetters und des Geruchs der Blumen und Kiefern auf dem Berg einfügen, oder alles ganz knapp schildern. Er entschied sich für die knappe Variante.
In dem großen Doppelzimmer im Tiefenbrunner, in dem er die Bündel und Stapel aus grauem Papier auf dem zweiten Bett ausgebreitet hatte, war er gar nicht auf der Suche nach etwas Speziellem gewesen. Er hatte einfach nur ein paar Stichproben gemacht und sich auf die Blätter mit der roten Aufschrift KOMMANDOSACHE, HÖCHST VERTRAULICH konzentriert. Es gab nicht viele davon. In erster Linie handelte es sich um geheime Berichte über die deutsche Obrigkeit, abgefangene Bruchstücke von Chiffren der Alliierten und die Lage von geheimen Unterschlüpfen. Da dies die Hauptziele der »A«-Truppe waren, hatte Major Smythe sie mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet – Nahrung, Sprengstoff, Waffen, Spionageaufzeichnungen, Akten über Gestapo-Mitarbeiter – ein prächtiger Fund! Und dann hatte er ganz unten in dem Paket einen einzelnen Umschlag entdeckt, der mit rotem Wachs versiegelt war und den Hinweis NUR IM ÄUSSERSTEN NOTFALL ÖFFNEN trug. In dem Umschlag befand sich ein einzelnes Blatt Papier. Es war nicht unterschrieben und es standen nur wenige Worte in roter Tinte darauf. Die Überschrift lautete VALUTA, und darunter stand: WILDER KAISER. FRANZISKANER HALT. 100M. ÖSTLICHER STEINHÜGEL. WAFFENKISTE. ZWEI BARREN 24 KT. Dann folge eine Liste mit Maßangaben in Zentimetern. Major Smythe breitete die Hände aus, als würde er die Geschichte von einem Fisch erzählen, den er gefangen hatte. Jeder Barren würde fast so groß wie ein paar Ziegelsteine sein. Und schon ein einziger englischer Sovereign mit nur achtzehn Karat war heutzutage zwei oder drei Pfund wert. Das war ein verdammtes Vermögen! Ein Wert von vierzig-, fünfzigtausend Pfund. Vielleicht sogar einhunderttausend! Er handelte ganz automatisch. Gefasst und schnell, falls jemand hereinkommen sollte, hielt er ein brennendes Streichholz an das Papier und den Umschlag, zerrieb die Asche zu Pulver und spülte sie die Toilette runter. Dann nahm er seine österreichische Militärkarte der Umgebung, und schon nach einem kurzen Moment lag sein Finger auf dem Franziskaner Halt. Er war als unbewohnter Unterschlupf für Bergsteiger gekennzeichnet und befand sich auf einem Sattel direkt unter dem höchsten der östlichsten Gipfel des Kaisergebirges, jener beeindruckenden Reihe aus riesigen Steinzähnen, die Kitzbühel seinen bedrohlichen nördlichen Horizont verleihen. Der Steinhügel würde sich ungefähr dort befinden, wo sein Fingernagel hinzeigte, und der ganze verdammte Schatz war demnach nur etwa fünfzehn Kilometer und einen vielleicht fünfstündigen Aufstieg von ihm entfernt!
Der Anfang war genauso gewesen, wie dieser Bond ihn beschrieben hatte. Er war um vier Uhr morgens zu Oberhausers Chalet gefahren, hatte ihn verhaftet und seiner weinenden, protestierenden Familie mitgeteilt, dass er, Smythe, ihn in ein Befragungslager in München mitnehmen würde. Wenn die Akte des Bergführers sauber war, würde er innerhalb einer Woche wieder zu Hause sein. Wenn die Familie einen Aufstand machte, würde Oberhauser dadurch nur noch mehr Probleme bekommen. Smythe hatte sich geweigert, ihnen seinen Namen zu verraten, und war vorausschauend genug gewesen, die Nummernschilder an seinem Jeep abzudecken. In vierundzwanzig Stunden würde die »A«-Truppe unterwegs sein, und wenn die Militärregierung Kitzbühel erreichte, würde der Vorfall bereits unter dem Morast der Besatzungswirren begraben sein.
Oberhauser war recht freundlich gewesen, nachdem er sich von seinem Schreck erholt hatte. Als Smythe angefangen hatte, wissend übers Skifahren und Bergsteigen zu reden, das er vor dem Krieg beides betrieben hatte, war ihr Verhältnis, Smythes Absicht entsprechend, sogar einigermaßen freundschaftlich geworden. Ihre Route verlief am Fuß des Kaisergebirges entlang in Richtung Kufstein. Smythe fuhr langsam und gab bewundernde Kommentare zu den Gipfeln ab,
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