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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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alle Skrupel», rief ich zurück.
    « Fluchen Sie ruhig», sagte der Kapitän.
    « Ich will doch nur sagen, dass Sie verdammt hübsch sind.»
    « Du meine Güte! Ist das alles?», rief Miss Blunt mit einem so bezaubernden Lächeln, dass die Sirenen, die die Bucht beschützten, in ihren Unterwasserlauben vor Neid vermutlich fast umkamen.
    Bis der Kapitän und ich unsere Sachen an Land gebracht hatten, hatte unsere Gefährtin bereits leichten Schrittes die Klippen an einer Stelle erklommen, an der diese stark zurückwichen,
und war hinter dem Scheitel verschwunden. Sie tauchte bald wieder auf, in der Hand ein leuchtend weißes Taschentuch, das ihre aufreizende Aufmachung ergänzte und mit dem sie uns zuwinkte, während wir mit unseren Körben mühsam hinaufstapften. Als wir, oben angekommen, stehenblieben, um Atem zu holen und uns den Schweiß von der Stirn zu wischen, tadelten wir sie natürlich, weil sie müßig mit ihrem Schirm und ihren Handschuhen umherstreifte.
    « Glaubt ihr etwa, ich werde auch nur die kleinste Mühe auf mich nehmen oder irgendeine Arbeit verrichten?», rief Miss Esther bestens gelaunt.«Ist dies nicht mein freier Tag? Ich werde weder einen Finger rühren noch mir diese Handschuhe schmutzig machen, für die ich in Mr Dawsons Laden in Cragthorpe einen Dollar bezahlt habe. Wenn ihr einen schattigen Platz für euren Proviant gefunden habt, sucht bitte eine Quelle. Ich bin sehr durstig.»
    « Such dir deine Quelle selbst, mein Fräulein», sagte ihr Vater.«Mr Locksley und ich haben unsere Quelle in diesem Korb. Nehmen Sie einen Schluck, Sir.»Bei diesen Worten zauberte der Kapitän eine bauchige schwarze Flasche hervor.
    « Gebt mir einen Becher, dann werde ich sehen, ob ich irgendwo Wasser finde», sagte Miss
Blunt.«Aber ich habe solche Angst vor den Schlangen! Wenn ihr einen Schrei hört, wisst ihr, dass es eine Schlange ist.»
    « Schreiende Schlangen!», sagte ich.«Das ist eine ganz neue Spezies.»
    Wie albern das alles jetzt klingt! Als wir uns umblickten, sahen wir, dass es, wie es für diese Gegend typisch ist, offenbar nur wenig Schatten gab. Doch Miss Blunt, eine sehr geschickte und praktisch veranlagte junge Person, auch wenn sie mich das Gegenteil glauben machen möchte, entdeckte bald im Schutz einer hübschen kleinen Talmulde eine köstlich kühle Quelle unter einer Gruppe von Kiefern. Alldort hin, wie einer der Tennyson 23 imitierenden jungen Herren sagen würde, brachten wir, Blunt und ich, unseren Korb, während Esther den Becher eintauchte und ihn tropfend an unsere durstigen Lippen hielt und dann das Tischtuch auf dem Gras ausbreitete und die Teller darauf verteilte. Ich müsste wahrlich ein Dichter sein, um auch nur annähernd die Glückseligkeit und schlichte Poesie, die Reinheit und Schönheit dieses langen strahlenden Sommertages zu beschreiben. Wir aßen, tranken und unterhielten uns; zuweilen aßen wir mit den Fingern, tranken aus der Flasche und unterhielten uns mit vollem Mund, wie es Leuten
ansteht (und nachgesehen wird), die blanken Unsinn daherreden. Wir erzählten Geschichten ohne jegliche Pointe. Blunt und ich machten grauenvolle Wortspiele, ja ich glaube, selbst Miss Blunt versuchte sich an einem Wortspielchen, wie ich es nannte. Wäre überflüssigerweise irgendein weiterer Vertreter der Menschheit zugegen gewesen, um all das zu protokollieren, würde ich sagen, wir haben uns zum Narren gemacht. Da dies aber nicht der Fall war, brauche ich nichts weiter dazu zu sagen. Ich bin mir bewusst, einige witzige Dinge von mir gegeben zu haben, die Miss Blunt verstanden hat: in vino veritas . Der gute alte Kapitän spann unermüdlich sein Seemannsgarn. Die hoch am Himmel stehende strahlende Sonne schien den lieben langen Tag auf uns herab und überflutete die Landschaft mit Licht und Wärme. Eines Tages werde ich ein Bild malen, das irgendwann in der Zukunft, wenn mein geliebtes Vaterland sich einer nationalen Malerschule wird rühmen können, im Salon Carré des großen Nationalmuseums (beheimatet, sagen wir, in Chicago) hängen und die Menschen an Giorgione, Bordone und Veronese 24 erinnern – oder sie vielmehr vergessen lassen – wird: Ein Festtag auf dem Lande; drei Personen beim Mahl unter ein paar Bäumen;
Ort und Zeit: ungewiss. Weibliche Gestalt: eine mollige brune 25 ; junger Mann, auf dem Ellenbogen ruhend; alter Mann beim Trinken. Ein leerer Himmel, unendlich ausdrucksvoll. Das Ganze erstaunlich in Farbgebung, Entwurf, Stimmung. Künstler: nicht bekannt,

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