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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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Ehe gedrängt, sondern ihn geradezu in die Arme jeder jungen Frau im Land gestoßen. Ambrose hatte ihm sein Versprechen gegeben, dessen Erfüllung aber von Tag zu Tag hinausgezögert und versucht, Zeit zu gewinnen; doch schließlich war er mit seinen Ausflüchten am Ende, zumal sein armer Vater sich aufs Flehen
verlegt hatte.«Ihm ist der Name, das Haus und all das unendlich wichtig, und er bildet sich ein, wenn ich nicht heirate, bevor er stirbt, werde ich es auch danach nicht tun.»Das, so erinnere ich mich, sagte Ambrose Tester zu mir.«Es ist eine fixe Idee; er ist davon nicht abzubringen. Er möchte mich noch mit eigenen Augen verheiratet sehen, und er möchte seinen Enkelsohn in den Armen halten. Solange er das nicht kann, wird er nicht überzeugt sein, dass alles seine Ordnung haben wird. Er glaubt, er nähere sich seinem Ende, aber das tut er nicht – er wird noch hundert werden, meinen Sie nicht auch? –, und er hat mich feierlich darum gebeten, dem ein Ende zu setzen, was er seine Ungewissheit nennt. Er ist der Meinung, ich könnte in die Fänge irgendeiner Frau geraten, die ich unmöglich heiraten kann. Als wäre ich nicht alt genug, um auf mich selbst aufzupassen!»
    « Vielleicht hat er Angst vor mir», schlug ich im Spaß vor.
    « Nein, vor Ihnen nicht», sagte mein Besucher, wobei sein Ton verriet, dass es da jemanden gab, auch wenn er nicht sagte, wer es war.«Das ist natürlich alles Unsinn; jeder heiratet früher oder später, und ich werde tun, was alle anderen tun. Wenn ich heirate, bevor ich sterbe, ist es doch
genauso gut, als heiratete ich, bevor er stirbt, nicht wahr? Ich würde mich freuen, den alten Herrn bei meiner Hochzeit dabei zu haben, aber für ihre Rechtsgültigkeit ist es nicht erforderlich, nicht wahr?»
    Ich fragte ihn, was er von mir erwarte und wie ich ihm helfen könne. Er kannte meine Marotte bereits – dass ich mich nämlich bemühte, für sämtliche Mädchen in meinem Bekanntenkreis Ehemänner zu finden, gleichzeitig aber versuchte, die Männer davon abzuhalten, vor den Traualtar zu treten. Der Anblick einer unverheirateten Frau bedrückte mich, und doch empfand ich es als persönlichen Affront, wenn meine männlichen Bekannten ihren Familienstand änderten. Er ließ mich wissen, dass ich mich, soweit es ihn betreffe, auf eine solche Kränkung einstellen müsse, denn er habe seinem Vater sein Wort gegeben, übers Jahr kein Junggeselle mehr zu sein. Der alte Herr habe ihm Carte blanche gegeben, stelle keine Bedingungen, außer dass die Dame jung und gesund sein solle. Jedenfalls hatte Ambrose Tester einen Schwur geleistet und war nun im Begriff, sich ernsthaft umzusehen. Ich sagte, was sein müsse, müsse sein und dass es eine Menge bezaubernder junger Frauen im Land gebe, unter denen er sich mühelos die geeignetste
aussuchen könne. Es gebe keine bessere Partie in England als ihn, sagte ich, und er brauche lediglich seine Wahl zu treffen. Das war allerdings nicht, was ich dachte, denn was mir wirklich durch den Kopf ging, ließ sich in dem stillen Ausruf zusammenfassen:«Welch ein Jammer, dass Lady Vandeleur nicht Witwe ist!»Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, dass er sie andernfalls auf der Stelle heiraten würde; und nachdem er gegangen war, fragte ich mich noch lange, was sie wohl von dieser Wendung der Dinge halten mochte. Wenn sie für mich schon enttäuschend war, wie wenig konnte sie dann erst ihr gefallen! Sir Edmunds Befürchtung, es könne Hindernisse geben, die seinen Sohn davon abhielten, den gewünschten Schritt zu tun, war nicht ganz abwegig. Margaret Vandeleur war ein Hindernis – ich wusste das so gut, als hätte Mr Tester es mir selbst erzählt.
    Ich will damit nicht sagen, dass es da irgendetwas in ihrer Beziehung gegeben hätte, worüber er nicht offen hätte sprechen können, denn Lady Vandeleur war, trotz ihrer Schönheit und ihres langweiligen Gatten, keine Frau, die man einer Unbesonnenheit bezichtigen konnte. Ihr Gatte legte pedantischen Wert auf Kleinigkeiten – die Form seiner Hutkrempe, die pose 7 seines Kutschers
– und interessierte sich für nichts sonst; doch sie war eine Heilige, soweit dies möglich ist, wenn man zehn Jahre lang in den vornehmsten Kreisen Europas verkehrt hat. Es ist für diese Kreise typisch, dass selbst die Heiligen in ihren Reihen verdächtigt werden, und es ginge zu weit, wollte ich behaupten, man hätte ihrem Ruf nicht zahlreiche kleine Nadelstiche versetzt. Doch sie spürte diese Nadelstiche gar nicht, denn

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