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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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war liebenswürdiger als die seines Bruders, und er hat sich immer völlig korrekt verhalten. Wie korrekt er sich in einer sehr wichtigen Angelegenheit verhalten hat, genau darum geht es in meiner Geschichte.
    Er hätte eigentlich die Diplomatenlaufbahn einschlagen sollen, war schon Gesandtschaftssekretär in irgendeiner deutschen Hauptstadt gewesen; nach dem Tod seines Bruders kehrte er jedoch nach Hause zurück und tat sich nach einem Sitz im Parlament um. Er bekam ihn ohne große Mühe und hat ihn seitdem inne. Keiner brächte es übers Herz, ihn hinauszuwerfen, wo er doch so gut aussieht. Es ist eine großartige Sache, von einem der am besten aussehenden Männer Englands vertreten zu werden, es bewirkt so positive Gedanken. Jeder wäre erstaunt, wenn es sich bei dem Wahlkreis, den er vertritt und dessen Namen ich ständig vergesse, nicht um einen ausnehmend hübschen Ort handelte. Ich habe ihn zwar nie gesehen, und mir ist nicht bekannt, dass er nicht hübsch wäre, aber ich bin sicher, sein Abgeordneter wird jede Revolution überleben. Die Leute haben offenbar das Gefühl, wenn sie ihn nicht behielten, würde irgendein Ungeheuer gewählt. Sie erinnern
sich an sein Äußeres, liebe Landsmännin, an seinen hellen Teint und wie großgewachsen und stark er ist und dass er immer lacht, ohne dabei dümmlich zu wirken. Er ist genau der junge Mann, den Mädchen in Amerika – an der Stelle des Helden – vor sich sehen, wenn sie englische Romane lesen und versuchen, sich etwas sehr Aristokratisches und Angelsächsisches vorzustellen. Eine«gescheite Bostonerin», 4 der Ambrose Tester einmal in meinem Haus begegnete, rief, sowie dieser den Raum verlassen hatte:«Endlich, endlich, erblicke ich ihn, den Schnurrbart von Roland Tremayne!»
    « Von Roland Tremayne?»
    « Erinnern Sie sich nicht, wie häufig dieser Bart in ‹Eine verbotene Liebe› erwähnt wird und wie prächtig und golden er war? Nun, bis jetzt habe ich ihn nicht gesehen – bis jetzt!»
    Wären Sie Ambrose Tester nicht selbst schon begegnet, würde ich ihn am treffendsten beschreiben, wenn ich sagte, er sähe aus wie Roland Tremayne. Ich weiß nicht, ob jener Held ein« überzeugter Liberaler»war, doch als solcher gilt Sir Ambrose. (Er hat vor zwei Jahren die Nachfolge seines Vaters angetreten, aber darauf komme ich später noch zu sprechen.) Er ist nicht gerade das, was ich als nachdenklich bezeichnen
würde, aber er interessiert sich – oder glaubt, er interessiere sich – für eine Menge Dinge, von denen ich nichts verstehe und über die etwas in den Zeitungen steht, was man aber überspringt – Freiwillige, Wahlkreiseinteilung, 5 sanitäre Zustände, 6 die parlamentarische Vertretung von Minderjährigen – oder waren es Minderheiten? Als ich vorhin sagte, er lache fortwährend, hätte ich ergänzen sollen, dass er es nicht tut, wenn er mit Lady Vandeleur spricht. Sie lässt ihn ernst werden, beinahe feierlich; womit ich aber nicht sagen will, sie langweile ihn. Weit davon entfernt; doch in ihrer Gesellschaft ist er nachdenklich; er zupft an seinem goldenen Schnurrbart, und«Roland Tremayne»sieht aus, als wäre sein Blick nach innen gerichtet, als sinne er über ihre Worte nach. Er selbst sagt nicht viel; sie allein bestreitet die Unterhaltung – dabei pflegte sie sonst so schweigsam zu sein. Sie hat ihm eine Menge zu sagen; sie schildert ihm die Reize, die sie auf dem Weg der Pflicht entdeckt. Ich glaube, er hält im Parlament nur selten eine Rede, aber wenn er es tut, dann aus dem Stegreif, und sie ist unterhaltsam und vernünftig, und alle sind davon angetan. Er wird nie ein großer Staatsmann werden, aber er wird den Ruf von der Sanftheit Dorsetshires noch befördern und, kurz gesagt, ein
äußerst galanter, liebenswürdiger, wohlhabender, typischer englischer Gentleman bleiben mit einem guten Namen, einem Vermögen, einem vollendeten Äußeren, einer hingebungsvollen, verstörten kleinen Frau, einer Vielzahl von Erinnerungen, einer Vielzahl von Freunden (darunter Lady Vandeleur und ich) und, auch wenn es angesichts all dieser Vorzüge befremdend erscheinen mag, mit so etwas wie einem Gewissen.

II
    Vor fünf Jahren erzählte er mir, sein Vater bestehe darauf, dass er heirate – wolle nichts davon hören, dass er es noch länger aufschiebe. Seit seiner Rückkehr aus Deutschland sei Sir Edmund auf diesem Thema herumgeritten, habe es sich sowohl in Andeutungen als auch ganz unmissverständlich ausgebeten und ihn dabei nicht nur mit Worten zur

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