James, Henry
war, das Kind, das sie für immer hergeben sollte, noch ein paar Monate länger bei sich haben wollte. Um ihrem zukünftigen Schwiegersohn Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss man sagen, dass er zwar imstande war, sich in sein Schicksal zu fügen oder aber Joscelind (wenn auch unter deutlichem Erröten) offen und ehrlich zu gestehen, er könne sein Eheversprechen nicht halten, dass es aber nicht seine Art war zu versuchen, sich aus seinen Schwierigkeiten herauszuwinden. Joscelind aufrichtig zu sagen, er könne sein Versprechen
nicht halten – das war das Vorgehen, für das er sich entschieden hatte, weil er es für das beste hielt, aber just davor warnte ich ihn, indem ich ihn darauf aufmerksam machte, dass es eine gravierende Schwäche aufwies, die gegen seine Vorteile abgewogen werden sollte. Die Schwäche war, dass es Joscelind auf der Stelle umbringen würde.
Er schien mir zu glauben, und weil er mir glaubte, war der unerwartete Aufschub ihm so willkommen. Man konnte nicht wissen, was in der Zwischenzeit alles geschehen würde, und er verbrachte einen großen Teil dieser Zeit mit der Suche nach einem Ausweg. Dennoch pflegte er weiterhin den gewohnten Umgang mit dem Mädchen, von dem er sich im Herzen schon losgesagt hatte. Man erzählte mir mehr als einmal (denn ich hatte das Paar während des Sommers und des Herbstes aus den Augen verloren), dass dieser Umgang bisweilen sehr sporadisch sei, dass Ambrose Tester Miss Bernardstone eklatant vernachlässige und weitgehend zu seiner alten Vertrautheit mit Lady Vandeleur zurückgekehrt sei. Ich weiß nicht genau, was damit gemeint war, denn die ersten drei Monate ihrer Witwenschaft verbrachte sie vollkommen zurückgezogen in ihrem eigenen alten Haus in
Norfolk, wo er sich ganz gewiss nicht gemeinsam mit ihr aufhielt. Ich glaube, er hielt sich, zur Rebhuhnjagd, einige Zeit an einem ein paar Meilen entfernten Ort auf. Mir kam zu Ohren, wenn Miss Bernardstone den Wink nicht verstünde, so läge das daran, dass sie entschlossen sei, mit ihrem Verlobten durch dick und dünn zu gehen. Sie erbot sich nie, ihn freizugeben, und ich war mir sicher, sie würde dies auch nie tun; ich war mir gleichermaßen sicher, dass er, so seltsam es auch scheinen mag, nach wie vor liebenswürdig zu ihr war. Ich habe nie so recht verstanden, warum er sie nicht hasste, und bin überzeugt, dass er ihr, was sein Verhalten anging, keine Komödie vorspielte – er war nur ein guter Kerl. Ich habe von der Befriedigung gesprochen, die Sir Edmund über seine zukünftige Schwiegertochter empfand; es bereitete ihm Freude, sie anzusehen, er sehnte sich nach ihr, sobald sie außer Sichtweite war, und bewegte sie dazu, zusammen mit ihrer Mutter wochenlang bei ihm auf dem Land zu bleiben. Wenn Ambrose nicht so unablässig an ihrer Seite war, wie er es hätte sein können, so wurde dieser Mangel durch die Zuneigung seines Vaters zu ihr, durch den Umstand, dass sie bereits zur Familie zu gehören schien, überdeckt. Mr Tester war abwesend, wie
er es vielleicht auch gewesen wäre, wenn sie bereits geheiratet hätten.
VI
Im Oktober traf ich ihn in Doubleton; wir verbrachten dort gemeinsam drei Tage. Er genoss die Zeit, die der Aufschub ihm gewährte, wie er mir ohne Skrupel gestand, und sprach – wie meist – hauptsächlich von Lady Vandeleur. Joscelind erwähnte er nur indirekt, als er mir versicherte, wie sehr er diese Gnadenfrist von ein paar Wochen schätzte.
« Wollen Sie sagen, Lady Vandeleur sei unter diesen Umständen willens, Sie zu heiraten?»
Ich stellte diese Frage jetzt zweifellos nachdrücklicher als zuvor, denn wenn wir uns früher über dieses Thema unterhielten, sprach er natürlich von ihrer Einwilligung als einer bloßen Möglichkeit, die an eine bestimmte Voraussetzung geknüpft war. Diese Voraussetzung war nun gegeben, allerdings erst mit Ablauf der ersten Monate ihrer Trauerzeit; er konnte sie mit der Frage nicht bereits ein paar Tage nach dem Tod ihres Gatten bedrängen.
« Natürlich nicht sofort, aber wenn ich warte
wohl schon.»Das, so erinnere ich mich, war seine Antwort.
« Wenn Sie warten, bis Sie das junge Mädchen losgeworden sind, nehme ich an.»
« Davon weiß sie nichts – es geht sie nichts an.»
« Wollen Sie sagen, sie weiß nicht, dass Sie verlobt sind?»
« Wie sollte sie es wissen, wie sollte sie es glauben, wo sie doch sieht, wie sehr ich sie liebe?», rief der junge Mann; später gestand er allerdings, dass er sie nicht getäuscht habe und dass sie die
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