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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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Motive, die ihn zu diesem Schritt veranlasst hatten, vollkommen billigte. Er meinte, sich dafür verbürgen zu können, dass sie ihn eines Tages heiraten werde.
    « Dann ist sie eine sehr grausame Frau», sagte ich,«und ich möchte, wenn es Ihnen recht ist, nichts mehr über sie hören.»Er erhob dagegen Einspruch, und einen Monat später kam er aus einem bestimmten Grund erneut auf sie zu sprechen. Die Sache war, wie Sie sehen werden, recht befremdlich. Ich war inzwischen wieder in die Stadt zurückgekehrt; es war Anfang Dezember. Ich nahm an, er sei mit seinen eigenen Hunden auf der Jagd; doch eines Nachmittags erschien er in meinem Empfangszimmer und erklärte,
ich täte ihm einen großen Gefallen, wenn ich Lady Vandeleur aufsuchte.
    « Sie aufsuchen? Wo soll ich sie aufsuchen? In Norfolk?»
    « Sie ist wieder in London – wussten Sie das nicht? Sie hat eine Menge zu erledigen. Sie wird bis Weihnachten hier zu tun haben; ich wünschte, Sie würden sie aufsuchen.»
    « Warum sollte ich sie aufsuchen?», fragte ich.« Werden Sie nicht auch bis Weihnachten hier zu tun haben? Reicht ihr Ihre Gesellschaft nicht?»
    « Auf mein Wort, Sie sind grausam», sagte er,« und das ist wahrlich eine Schande, wenn ein Mann sich bemüht, seine Pflicht zu tun, und sich wie ein Heiliger benimmt.»
    « Nennen Sie es heilig, Ihre gesamte Zeit mit Lady Vandeleur zu verbringen? Ich will Ihnen sagen, wen ich für eine Heilige halte, wenn es Sie interessiert.»
    « Sie brauchen es mir nicht zu sagen, ich weiß es besser als Sie. Ich habe nichts an ihr auszusetzen; aber sie ist einfältig und hat keinerlei Gespür. Und Sie – Sie verstehen nicht, weshalb ich für ein paar Tage nach London gekommen bin; es ist, als hätten Sie ebenfalls keinerlei Gespür! Wenn ich ein paar Tage hier bin, dann weiß ich schon, was ich tue.»

    « Warum sollte ich es verstehen?», fragte ich – nicht sehr aufrichtig, denn ich hätte es gern verstanden.« Es ist Ihre eigene Angelegenheit; wie Sie sagen, wissen Sie, was Sie tun, und selbstverständlich haben Sie den Preis bedacht.»
    « Welchen Preis meinen Sie? Es ist ein hoher Preis, das kann ich Ihnen sagen.»Und dann versuchte er, es mir zu erklären – wenn ich mich doch nur mehr in die Sache hineindächte und nicht so misstrauisch wäre. Er sei eigens nach London gekommen, um die Sache zu beenden.
    « Welche Sache? Ihre Verlobung?»
    « Nein, nein, zum Teufel mit meiner Verlobung – die andere Sache. Meine Bekanntschaft, meine Beziehung – »
    « Ihr Verhältnis mit Lady Van…?»Es war nicht gerade sehr liebenswürdig, aber ich glaube, ich habe laut aufgelacht.«Wenn das Ihre Art ist, eine Beziehung zu beenden, was, bitte, würden Sie dann tun, um eine aufrechtzuerhalten?»
    Er errötete und blickte gleichzeitig betreten und verärgert drein, denn es war natürlich nicht sehr schwer zu erraten, was ich meinte. Doch er versuchte – auf eine eigene, sehr unbeholfene Art – sich ein reines Gewissen zu verschaffen, und bekam dafür keine Anerkennung.«Ich werde sie ja wohl noch anschauen dürfen! Das ist
etwas, worüber wir sprechen müssen. Man lässt eine solche Freundin nicht binnen einer halben Stunde fallen.»
    « Man lässt sie überhaupt nicht fallen, außer man hat die Kraft, ein Opfer zu bringen.»
    « Sie können leicht von Opfer reden. Sie wissen ja nicht, was sie mir ist!», rief mein Besucher.
    « Ich denke, ich weiß, was sie nicht ist. Sie ist keine Freundin, wie Sie sie nennen, wenn sie Sie ermutigt, das Falsche zu tun, wenn sie Ihnen nicht hilft. Nein, ich bin empört über sie», erklärte ich,«ich mag sie nicht, und ich werde sie nicht aufsuchen!»
    Mr Tester sah mich einen Augenblick lang an, als traue er es sich in seiner Verärgerung nicht zu, etwas darauf zu erwidern, ohne ausfällig zu werden. Es kostete ihn einige Anstrengung, sich zu beherrschen. Aber es gelang ihm, und obwohl er seinen Hut schon in der Hand hielt, als wolle er im nächsten Moment das Haus unter Protest verlassen, blieb er dann doch, legte ihn wieder zurück, stützte, die Ellenbogen auf den Knien, den Kopf in die Hände und stieß mit gepresster Stimme hervor, er habe noch nie von etwas so Unmöglichem gehört und er sei der unglücklichste Mensch in ganz England. Er tat mir sehr leid, und natürlich sagte ich ihm das auch;
insgeheim aber war ich der Meinung, er werde seiner Pflicht nicht in dem Maße gerecht, wie er es eigentlich sollte. Doch ich versprach, wenn er mir sein Ehrenwort gebe, dass er Miss

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