Jan Fabel 05 - Walküre
als das. Sie hat sie kastriert. Nach den Feststellungen der Mecklenburger Techniker hat sie zwei sofort getötet und danach kastriert. Der Dritte dagegen, der Anführer ... Bei dem hat sie dafür gesorgt, dass er während der ganzen Prozedur am Leben und bei Bewusstsein war. Seine Schreie haben Leute in der Nachbarschaft alarmiert, die dann die Polizei anriefen.«
»Mein Gott ...« Fabel dachte über Wagners Worte nach. »Das stimmt mit den Engel-Morden überein.«
»Genau. Aber Margarethe Paulus kann sie nicht begangen haben, denn sie war damals in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Trotzdem, als ich den Bericht über den neuesten Mord gelesen habe ...«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Fabel. »Nur liegt diesmal keine Kastration vor. Aufschlitzen, ja, aber die Eier sind unversehrt. Kannst du mir das wichtigste Material über sie rübermailen, darunter auch aktuelle Bilder?«
»Das habe ich schon veranlasst.«
»Die Mecklenburger Polizei dürfte auch ihren DNA-Schlüssel haben. Könntest du mir den ebenfalls zusenden? Bei unserem Fall hat die Mörderin möglicherweise eine Spur hinterlassen, ein Haar.«
»Kein Problem«, erwiderte Wagner. »Vielleicht hast du diesmal Glück.«
»Vielleicht. Aber darauf verlasse ich mich nicht.«
Fabel ließ sein Team im Besprechungsraum der Mordkommission zusammenkommen. Da der Kern nur noch aus Werner, Anna und ihrem Partner Henk Hermann bestand, hatte er mehrere andere Kriminalbeamte hinzugezogen. Unter ihnen befand sich Thomas Glasmacher, ein massiger blonder Mann, der ständig in sein Taschentuch nieste, weil er seit einer Woche gegen eine Wintererkältung ankämpfte. Ein weiterer Neuer, Dirk Hechtner, war kleiner und dunkelhaarig. Fabel hatte ihn sich von der Polizeidirektion Süd ausgeliehen. In ihrer bisherigen kurzen Laufbahn hatten sowohl Glasmacher als auch Hechtner gute Ansätze und die Fähigkeit gezeigt, bei Bedarf unkonventionell zu denken. Keiner der beiden ahnte, dass Fabel daran dachte, sie dauerhaft in sein Team aufzunehmen. Insgesamt musste er sich vier neue Ermittler suchen - oder sogar sechs, wenn Anna versetzt wurde. Zusätzlich würde er auf Unterstützung der Kommission durch verschiedene Experten drängen.
An der Schautafel hingen drei Fotos von Jake Westland: eine Vergrößerung seines Passbilds, eine Werbeaufnahme und das letzte Foto, das je von ihm gemacht werden würde: bleich auf einem Tisch in der Leichenhalle in Eppendorf. An die andere Seite der Tafel waren kleinere Bilder von fünf anderen Männern sowie einige Zeitungsausschnitte geheftet.
Fabel trat vor und schrieb mit einem roten Stift vier Worte: MOTIV, STALKER, ENGEL und NACHAHMUNG: »Okay; ihr habt alle die Fallakte gelesen. Der einzige direkte Mordzeuge war Westland selbst, und seinen Bericht haben wir nur aus zweiter Hand. Meiner Ansicht nach bieten diese vier Kategorien die vorläufig besten Möglichkeiten.« Er zeigte auf das Wort MOTIV: »Alles weist darauf hin, dass Westland zur falschen Zeit am falschen Ort war. Und alles, was er gestern Abend nach dem Konzert unternahm, scheint spontan gewesen zu sein. Aber wenn wir einmal annehmen, dass jemand wusste, wann Westland hinter der Herbertstraße sein würde, haben wir es mit einem geplanten, gezielten Mord zu tun. Westlands Brieftasche, Terminkalender und Handy sind verschwunden, weshalb wir Diebstahl als Motiv erwägen könnten. Aber das kommt mir höchst unwahrscheinlich vor. Früher am Abend war er ein paar Minuten allein und ungestört in seiner Garderobe. Möglicherweise wurden sein Handy und sein Terminkalender mitgenommen, um die Einzelheiten eines geplanten Treffens zu verbergen, aber Gott weiß, welchen Grund er gehabt haben könnte, sich in einer schäbigen Hintergasse auf dem Kiez zu verabreden. Zunächst möchte ich, dass wir die üblichen Ermittlungen über Westlands Herkunft, seine Ehe, seine Geschäfte und so weiter durchführen.«
Fabel wies mit einem Finger auf das Wort STALKER:
»Jake Westland war ein berühmter, auf zahllosen Postern abgebildeter Sänger der späten Siebziger- und Achtzigerjahre. Dazu Multimillionär. Genau die Art von Person, die bei Zwangsneurotikern unerwünschte Aufmerksamkeit weckt. Ich habe die englische Polizei per E-Mail gebeten, uns etwaige Informationen über Stalker, hartnäckige Fans, einschüchternde Fanbriefe und Ähnliches zu schicken. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mit Westlands Leibwächtern zu reden ...« Fabel ignorierte
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