Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
Schreibtisch gleiten und befestigte es an der Schautafel. Eine Frau von ungefähr dreißig Jahren starrte die Beamten mit lee­rem Blick an. Sie trug kein Make-up, und ihr blondes Haar war straff nach hinten gebürstet. Das Bild zeigte die bleiche, strenge Ausleuchtung einer amtlichen Aufnahme.
    »Das ist Margarethe Paulus«, erklärte Fabel. »Ich habe ihre Daten gerade vom BKA erhalten. Vor drei Tagen ist sie aus der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie in Mecklenburg-Vor­pommern ausgebrochen. Ich habe noch keine Zeit gehabt, alle Details durchzugehen, aber ihr müsst wissen, dass sie eine äu­ßerst gefährliche Frau ist. 1994 hat sie drei Männer umgebracht und kastriert, und sie wäre eine der Hauptverdächtigen für die damaligen Engel-Morde gewesen, wenn sie sich nicht schon hinter Schloss und Riegel befunden hätte. Auch müssen wir be­rücksichtigen, dass es sich in ihrem Fall nicht um Serienmorde, sondern um Mordorgien handelte.
    Anscheinend ist sie mit Hamburg vertraut. Sie ist in Zar­rentin in Nordwestmecklenburg aufgewachsen, also nur siebzig Kilometer von Hamburg entfernt. Da sie erst vor drei Tagen entkommen ist, dürfte sie aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit dem neuesten Mord zu tun haben, aber wir müssen für alle Möglichkeiten offen sein. Unzweifelhaft wäre sie eine denkbare Nachahmungstäterin. Jedenfalls müssen wir nach ihr Ausschau halten.«
    »Wie ist sie entkommen?«
    »Sie scheint einfach durch das Haupttor hinausmarschiert zu sein. Ein Pfleger und eine Krankenschwester hatten sie zum Arzt begleitet, weil sie über irgendeine Unpässlichkeit klagte. Sie brach den Arm des Pflegers, bevor sie ihn bewusstlos schlug, und stahl dann die Uniform, den elektronischen Türöffner und den Personalausweis der Schwester, bevor sie die Frau gefesselt und geknebelt in einem Abstellraum einsperrte. Offensichtlich ver­fügt sie über ein ausgeprägtes Organisationstalent. Irgendwie ist es ihr gelungen, Make-up und Haarfärbemittel aufzutreiben, um ihr Aussehen dem der Krankenschwester anzunähern.«
    »Also hatte sie speziell diese Schwester aufs Korn genom­men, statt einfach nur eine günstige Ausbruchsgelegenheit ab­zuwarten?«, fragte Dirk Hechtner.
    »Wahrscheinlich Monate im Voraus.«
    Fabel verwendete den Rest der Besprechung auf die vorlie­genden Aussagen und die bisherigen Ergebnisse der Spurensi­cherung. Dann wies er jedem Teammitglied eine Ermittlungs­aufgabe zu. Nach dem Treffen drückte Werner sich noch im Zimmer herum, bis die anderen verschwunden waren.
    »Also los, Werner«, ermunterte ihn Fabel, der seine Unter­lagen zusammenpackte. »Wo drückt der Schuh?«
    »Anna hat mir von eurer Plauderei erzählt.«
    »Mein Gott, sie hat nicht lange gebraucht, um sich bei jemandem auszuweinen ...«
    »So war's nicht, Jan. Ich hatte mich bei ihr erkundigt. Sie steht offenbar unter Schock. Genau wie ich, ehrlich gesagt.«
    »Du glaubst, dass ich einen Fehler mache?«, fragte Fabel.
    »Ich glaube, du hättest die Sache anders angefasst, wenn sie ein Mann wäre, Jan.«
    »Nicht schon wieder, Werner. Ich lasse mich beim Umgang mit meinen Beamten nicht von ihrer Geschlechtszugehörigkeit beeinflussen.«
    »Schön, trotzdem finde ich, dass du Anna noch eine Chance geben solltest. Sie hat ihr Leben mehr als einmal aufs Spiel ge­setzt, um einen Mörder zu fassen.«
    »Genau das ist der springende Punkt, Werner. Anna hat ihr Leben aufs Spiel gesetzt, und zweimal wäre sie deshalb fast ge­storben. Wir sind nicht im Wilden Westen, und ich hätte ge­dacht, dass du Verständnis für mich haben würdest. Schließlich bist du immer derjenige, der mich davon abhält, Mist zu bauen, weil du dafür sorgst, dass wir die Vorschriften befolgen. Anna hat zudem mehrfach den Einsatz unseres Beweismaterials ge­fährdet, weil sie sich einfach nicht an die Richtlinien der Gene­ralstaatsanwaltschaft halten will.«
    Werner seufzte und rieb mit seiner Pranke über die grauen Haarstoppeln. Fabel verglich Werners Aussehen immer mit dem eines ehemaligen Boxers oder eines hartgesottenen See­manns. Seine gebrochene Nase, die er sich am Anfang seiner Laufbahn als Streifenpolizist geholt hatte, seine Neigung zum Hamburger Platt, sein wenig gepflegtes Äußeres und seine kräftige Gestalt ließen ihn wie jemanden wirken, der eher seine Muskeln als sein Gehirn einsetzte. Aber niemand hatte ein sol­ches Auge für Details wie Werner. Ein winziger Widerspruch in einer Aussage, ein Ereignis, das nicht ganz in einen

Weitere Kostenlose Bücher