Jan Tabak geht aufs Ganze
Bremerhaven aus.“
„Ist mir recht“, sagte Jan. „Wenn die andern sich einverstanden erklären, soll es gelten.“
Es galt.
Als Jan am nächsten Donnerstag wieder mit Hinnerk Murken zur Volkshochschule fuhr, bat er ihn, sie alle in seinem Auto nach Bremerhaven zu kutschieren. Hinnerk war sofort dazu bereit. Er begrüßte das Unternehmen und versicherte, daß er selbstverständlich mit auf die Insel komme, schon allein deshalb, weil man dort den Schnaps so unwahrscheinlich billig einkaufen könne.
An einem Donnerstag im September - die beiden Volkshochschulstudenten hatten sich schweren Herzens um der gemeinsamen Sache willen dazu durchgerungen, eine Lektion ausfallen zu lassen - stieg Jenny um acht Uhr morgens erst in einen nagelneuen Wettermantel und dann in Hinnerk Murkens geräumigen Personenwagen. Ein wind- und wasserfester Südwester auf ihrem Kopf sollte sie vor überschwappenden Wellen und tanzenden Gischtflocken schützen. Sie nahm vorn neben dem Fahrer Platz. Zwischen sie und den korpulenten Hinnerk zwängte sich Nicole.
Die andern mußten sich notgedrungen auf der hinteren Sitzbank einrichten.
Das hätte ihnen auch keine Mühe gemacht, sie waren alle drei rank und schlank, nur mußten sie den Platz noch mit einem vierten Fahrgast teilen, den sie in ihren Planungen gar nicht berücksichtigt hatten: mit Lady!
Der riesige Hund, der schon manchen Tag ganz allein auf dem Hof zurückgeblieben war, ohne sich um die Ausflüge seiner Herrschaft zu kümmern, wollte diesmal mit.
Es half nichts, daß Jan alle Tricks anwandte, um ihn wieder aus dem Auto zu locken: Lady belegte zwei der hinteren Plätze, machte es sich bequem und blieb. Folglich machten Jan, Tina und Tim es sich unbequem, damit sie auch bleiben konnten.
Teils hockend, teils stehend, teils auf Lady gelehnt, überstanden sie die einstündige Fahrt nach Bremerhaven schlecht und recht, waren aber froh, als sie endlich aussteigen und sich bewegen konnten. „Mensch, Lady“, sagte Jan Tabak, „was willst du denn in Helgoland? Du trinkst doch gar keinen Alkohol!“
Sie lösten die Fahrkarten, schnupperten den Geruch nach Salz und Fisch und gingen langsam an Bord der „Roland von Bremen“, die weiß und freundlich am Kai lag. Da das Wetter trotz der leichten Brise mild war, suchten sie auf dem Sonnendeck für jeden einen Liegestuhl und ließen sich darin nieder.
Lady stand neben Tim und Nicole an der Reling und schaute interessiert dem Ablegemanöver zu.
Das Schiff drehte und nahm Kurs auf die offene See. Am Heck kreischten die Möwen, fischten die Brocken auf, die ihnen zugeworfen wurden und schossen dabei dicht über die Köpfe der Passagiere hinweg. Lady machte mehrere Versuche, eine von ihnen zu erhaschen, aber dafür war sie doch nicht leichtfüßig genug. So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihnen nachzusehen und sich mit dem zu bescheiden, was sie hatte, nämlich einen festen sicheren Stand auf der festen sicheren Erde. Allein, die feste sichere Erde blieb in diesem Augenblick hinter der Küste zurück. Was Lady zur Zeit unter ihren dicken Pfoten fühlte, waren hölzerne Planken, die sich senkten und hoben, neigten und aufrichteten und sich über ihre endgültige Lage noch nicht schlüssig zu sein schienen.
Sie nahm das erstaunt zur Kenntnis und fand die Schaukelei ganz lustig und angenehm, besonders, weil sie dadurch beim Gehen so herrlich ins Schwanken kam. Die Kinder hatten ihren Spaß an Ladys tapsigen Bewegungen. Sie lotsten sie über das ganze Schiff und amüsierten sich köstlich.
Auch die alten Herrschaften genossen die Fahrt. Sie lagen in den Liegestühlen, ließen sich von dem salzigen Seewind umfächeln und spürten die Sonne bräunend auf der Haut.
Hin und wieder stand Jenny auf, lehnte sich an die Reling, starrte, die Hand schützend über den Augen, in die blaue Ferne hinaus und fühlte sich Columbus, Walter Raleigh und Käpten Cook sehr verwandt.
Das also ist die Seefahrt, dachte sie. So fahren sie hinaus, die sturmerprobten Männer, um neue Erdteile zu entdecken und den weißen Wal zu erjagen. Wie herrlich muß das sein! Wenn ich ein Mann geworden wäre, hätte auch ich ein Schiff geführt.
Sie war in einer so versöhnlichen und ausgeglichenen Stimmung, daß sie es Jan und Hinnerk nicht abschlagen mochte, mit ihnen unter Deck in die Bar zu gehen und dort einen Aperitif zu trinken. Wie eine Seemannsbraut kletterte sie auf einen Barhocker und prostete den Männern zu.
Mittlerweile passierte das Schiff den
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