Jan Tabak geht aufs Ganze
soviel Grünzeug in mich hineingefuttert wie in jenen Monaten!“
„Gemüse hat noch keinem Menschen geschadet“, schaltete sich Jochen wieder ein. „Unser Küchenzettel wurde seit deiner Entdeckung viel abwechslungsreicher. Jetzt konnten wir Kokosraspel mit Salat essen und Salat mit Kokosraspel. Wir speisten Salat vor dem Kokosmus und nach dem Kokosmus und konnten sogar noch zwischendrein ein paar Blätter in den Mund stecken. Für einige Wochen waren wir so ganz getröstet.
Wahrhaft zufrieden wurden wir aber erst, als ich entdeckte, daß man aus den Blütenscheiden der Nüsse den Palmwein zapfen konnte. Was, Jan, der schmeckte?“
„Ja“, gab Jan zu, „der war nicht schlecht, und als es mir dann gelang, aus deinem Palmwein einen herrlichen Arrak zu brennen, wurden wir geradezu übermütig vor Glück. Wir waren tagelang betrunken und vergaßen ganz und gar, wo wir uns befanden. Wenn ich dich nächstens wieder besuche, werde ich mal eine Flasche Arrak mitbringen, als Erinnerungsstütze sozusagen.“
„Das muß nicht sein“, knurrte Jochen, „der Gin hier trinkt sich auch ganz gut.“ Und den Faden weiterhaspelnd: „Ein Rausch ist etwas Schönes, wißt ihr, er macht leicht und sorglos. Aber er ist auch gefährlich, denn die Sorgen bleiben ja, man nimmt sie nur nicht wahr, während man betrunken ist. In unserem Fall verhalf uns das dauernde Betrunkensein beispielsweise nicht zu einem Schiff oder Boot, mit dem wir in die Zivilisation hätten zurückkehren können. Darum wurde ich eines Tages energisch, schüttete sämtlichen Arrak aus und ermahnte euren Onkel Jan, sich ernsthaft Gedanken über unsere Rettung zu machen.
Wir hatten uns mittlerweile ein Haus, zwei Betten, einige Stühle und mehrere Hängematten aus Kokosfasern geflochten, besaßen auch Löffel, Tassen, Teller und Töpfe, die aus den Nüssen angefertigt waren, aber ein schwimmender Untersatz fehlte uns immer noch. Ich experimentierte mit den Stämmen der Palmen herum, höhlte sie aus, was sehr schwierig war, band sie nebeneinander und übereinander; aber die Gebilde, die ich zuwegebrachte, waren für eine längere Seefahrt untauglich. Da bemerkte ich eines Tages, daß Kokosnüsse ganz vorzüglich schwammen, und da war die rettende Idee geboren. Ich band fünf- bis sechshundert der von der Außenhaut befreiten Nüsse zu einem Floß zusammen und forderte Jan auf, es mit mir an den Strand zu tragen. Mein Gott, war das eine Aufregung, als wir mein Gefährt zum erstenmal zu Wasser ließen!“
„Das kann ich bestätigen“, rief Jan Tabak dazwischen. „Wir zitterten so sehr dabei, daß sich über die Hälfte der Nüsse schon an Land aus deiner unsachgemäßen Verspannung lösten und wir uns gedulden mußten, bis ich aus Palmstämmen einen soliden Schiffsrumpf gefertigt hatte, unter den wir die Nüsse als Auftriebskörper schieben konnten. Jetzt hatten wir ein Fahrzeug, das so gut wie unsinkbar war, dem wir darum unser junges Leben sorglos anvertrauen durften. Wir beluden die Dschunke nun mit Nüssen, Salat, Wein und Arrak und stachen in See.“
„O ja“, nahm Jochen wieder das Wort, „nachdem ich aus Palmwedeln ein winddichtes Segel geflochten und aus Nüssen und Fasern einen ganz und gar einmaligen Kreiselkompaß konstruiert hatte. Dem allein und dem freundlichen Süd-Ost-Passat verdankten wir schließlich unsere Rettung. Bei den Samoa-Inseln wurden wir von einem norwegischen Frachter gesichtet, an Bord genommen und nach Europa gebracht. Ihr glaubt mir bestimmt, Kinder, wenn ich euch sage, daß ich nach den Strapazen auf dem Kokosnußfloß mehr tot als lebendig war und der Arzt auf dem Frachter seine ganze Kunst aufbieten mußte, um mich wieder auf die Beine zu bringen.“
„Das müßt ihr ihm einfach abnehmen“, kam Jan ihm zu Hilfe, „ich kann Jochens elenden Zustand bezeugen, ich war ja mit ihm unterwegs. Er war nur noch ein zitternder Haufen, der von sich selbst kein Bewußtsein mehr hatte. Ich hingegen fühlte mich gesund und frisch, ja, geradezu erholt. Das mag an meiner robusteren Gesundheit gelegen haben, denn ich war schon als Kind kernig und zäh gewesen.“ Jochen winkte ärgerlich ab.
„Deine Gesundheit ist dafür nicht verantwortlich zu machen, mein Lieber“, sagte er, „die war nämlich nicht besser als meine auch, nein, schuld an deiner leidlichen Verfassung war einzig der Umstand, daß ich an Bord alles allein gemacht hatte. Du verstandest damals weder etwas vom Segeln noch vom Einrichten des Kompasses. Darum
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