Jan Weiler Antonio im Wunderland
Antonio.
«Bitte, Antonio, leg die Scheißsachen in den Kasten», hörte ich mich rufen. Mein Vorsatz, diese Reise mit unbeteiligter Miene und guter Laune einfach durchzustehen, zerstob bereits nach dreißig Meter Fußweg.
«Nee, magi nickte. Wisse Sie, junge Mann, zusammelegen von der gute Kleidung bedeutete Falte und Kummer für die Saake.»
Das mag schon sein. Wenn man in einem Abendkleid durch die Sicherheitskontrolle will. Aber Antonio trägt heute kein Abendkleid.
«Legen Sie Ihre Sachen hier hinein, oder Sie können nicht passieren», sagte der Mann.
«Sie können ihn doch hinterher mit diesem Handdings ab-suchen. Ich garantiere Ihnen, er ist völlig harmlos.»
«Ich muss darauf bestehen.»
Ich schlug einen Kompromiss vor. Völlige Entleerung aller Kleidungsstücke und Transport der darin befindlichen Güter in einem Kasten durch das Röntgengerät gegen die Erlaubnis, ausnahmsweise alle Jacken anzubehalten. Antonio nickte heftig.
«Meinetwegen», brummte der Mann. Nach gefühlten sieben Stunden hatte ich alles aus Antonio herausdiskutiert, was er dabei hatte. Es füllte einen Kasten fast bis zur Hälfte. Er ging abermals durch die Schleuse, ich hielt den Atem an.
Piiiiiüieeeeeeps. Na klar, völlig logisch.
Ein Mann mit einer eindrucksvollen Maschinenpistole vor dem Bauch begleitete Antonio dorthin, wo schon Benno war. Ich ging – ohne Piepsen – durch das Tor und rannte hinterher. Vor dem Raum musste ich warten. Ich rechnete 137
nicht fest damit, heute noch nach New York zu kommen.
Nach drei Minuten öffnete sich die Tür, und der Mann mit der Knarre sah sich um. Er fragte mich: «Gehören Sie zu den beiden Herren?» Ich bejahte und wurde hineingebeten.
In dem Raum befanden sich zwei Umkleidekabinen mit Vorhängen. Unten konnte ich die Schuhe von Benno und ein Stück käsiger Beine sehen. In der Nebenkabine stand Antonio, der sich singend anzog. Auf einem kleinen Tisch lagen konfiszierte Gegenstände. Benno hatte versucht, ein in Alufolie eingepacktes Leberwurstbrot durch die Kontrolle zu schmuggeln. Er hatte es sich in den Bund seiner Unterhose gesteckt.
«Nanu!», sagte ich zu dem Beamten. «Ein Wurstbrot? Das ist natürlich gefährlich.»
«Darum geht es nicht. Ihr Begleiter hat davon gesprochen, Sprengstoff in seinem Koffer zu transportieren. Haben Sie davon Kenntnis?»
Ich beugte mich leicht vor, damit Benno mich nicht hör-te, und antwortete leise: «Mein Begleiter ist ein totaler Spinner.»
«Aha. Sie reisen mit einem Spinner», erwiderte er ebenso leise.
«Nein, mit zweien. Mein Schwiegervater ist auch einer.»
«Den Eindruck kann man haben.»
«Ich passe auf die beiden auf. Ich verbürge mich für sie. Sie sind vollkommen harmlos. Nur anstrengend, aber ganz und gar nicht gefährlich.»
«Also gut. Bitte schärfen Sie ihm ein, künftig keine Witzchen dieser Art mehr im sicherheitsrelevanten Bereich zu machen.»
Ich war erleichtert. Dann fiel mir ein, dass es auch bei Antonio gepiepst hatte.
138
«Darf ich fragen, wieso mein Schwiegervater gepiepst hat?», flüsterte ich.
Darauf hob der Beamte ein Blatt Papier hoch. Darunter lag Antonios Goldkettchen. Und ein weiteres, silbernes mit einem Anhänger. Es war eine Münze von übernatürlicher Größe, darauf stand «Toro», und darunter war ein Stier abgebildet, Antonios Sternzeichen. Ich wäre einverstanden gewesen, wenn man dieses Monster von einem Amulett als Waffe bezeichnet und einbehalten hätte. Antonio kam aus der Kabine und lachte mich an.
«Eine Reisse, die is lustig», sang er in Abwandlung eines Seemannsliedes. Und wir sind noch nicht einmal losge-fahren.
An der Espressobar komme ich wieder zur Ruhe. Ich rauche eine Zigarette und überdenke meine Situation. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich übernehme die Leitung dieser Expedition, von der ich nicht einmal weiß, warum ich sie mache. Oder ich setze mich nach der Landung ab und verschwinde einfach. Ich könnte mir eine nette Woche machen und die beiden wieder am Flughafen treffen. Aber das geht natürlich nicht. Unmöglich. Sara und Ursula und Oma Tiggelkamp unbekannterweise würden mir das nie verzeihen. Ich trinke aus und kehre zu unserem Gate zurück, wo Toni und Benno immer noch murmelnd in ein Gespräch vertieft sind.
Ich baue mich vor den beiden auf und spreche ein Macht-wort. «Ab jetzt hört alles auf mein Kommando. Ich will jetzt wissen, wo wir schlafen, und dann kümmere ich mich um alles.» Wie gewünscht reagieren die beiden alten Männer
Weitere Kostenlose Bücher