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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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größer, höher und voller ist, leiser als anderswo sein? Logisch ist, dass alles viel lauter ist. Diese Erkenntnis nimmt mir einen Teil meiner Fürcht, als ich mich auf einen Plastiksitz zwischen Benno und Antonio fallen lasse. Die beiden legen synchron die gefalteten Hände in den Schoß und schweigen andächtig. Die Geisterbahn fährt los, es schaukelt und ruckelt blechern durch den Tunnel.
    Uns gegenüber sitzen zwei Schwarze in einer Montur, mit 179
    der man heute niemanden mehr überraschen kann. MTV hat diesen Kleidungsstil weltweit verbreitet, er hat sich inzwischen bis nach Würzburg und Pinneberg durchgesetzt. Der eine Kerl hat einen weißen Trainingsanzug an und eine weiße Kappe, deren Schirm einen tiefen Schatten auf sein ohnehin dunkles Gesicht wirft. Nur das Weiß in seinen Augen ist gut zu sehen. Er starrt mich an. Der Junge, er mag so um die siebzehn Jahre alt sein, trägt monströse Sneakers mit riesigen offenen Schnürbändern. Ich schätze, er ist ziemlich groß. Sein Kopf wackelt bei jedem Schlag, den uns die U-Bahn versetzt, hin und her.
    Sein Kollege ist etwas farbenfroher gekleidet. Er trägt eine Hängehose, die so locker sitzt, dass man einen schönen Blick auf seine Unterhose bekommt, wenn man hinsieht. Ich bemü-
    he mich, dies nicht zu tun. Werde ich gerade durch das ostentative Weggucken für ihn interessant? Oder mache ich damit etwas, was er bei mir erreichen will? Bin ich gerade brav oder aufsässig? Zeige ich Respekt, indem ich ihn nicht mustere, oder sollte ich ihn ansehen, seinem Aussehen Tribut zollen?
    Die beiden reden nicht. Im Gegensatz zu seinem Kumpel trägt der zweite keine Turnschuhe, sondern wanderschuhartige Klötze aus hellem Wildleder. Um seinen Kopf windet sich ein etwas überreichlich piratesk aussehendes schwarzes Tuch. Er hat einen massiven Ohrring, einen flaumigen Schnauzbart und offensichtlich schlechte Laune. Auch er wendet den Blick nicht von mir, ich meine sogar, ein grimmiges Grinsen bei ihm zu erahnen.
    Ich will meinen Begleitern auf keinen Fall Angst machen, daher weise ich sie nicht auf die drohende Gefahr von gegen-
    über hin. Die beiden haben ohnehin genug damit zu tun, die anderen Fahrgäste zu mustern, die müde und gleichgültig, stumm und fahl im Neonlicht herumsitzen wie Leguane in 180
    einem Terrarium. Von Zeit zu Zeit kann ich nicht widerstehen und schaue rüber. Die beiden mustern mich weiterhin wie zwei Löwen, die ein Gnu beobachten, bevor sie es reißen. Ich warte eine Haltestelle ab. Wenn sie dann immer noch gucken, haben sie es auf mich abgesehen.
    Wir können natürlich sitzen bleiben, bis die Burschen aussteigen. Wenn sie das bis zur Endstation nicht tun, ist unser, oder besser: mein Schicksal besiegelt. Falls sie vorher verschwinden, ist alles in Ordnung. Aber was ist, wenn sie mit uns den Zug verlassen? Viel Zeit bleibt nicht zum Überlegen, denn an der nächsten Haltestelle müssen wir raus.
    Ich stupse Antonio an und deute mit dem Kinn zur Tür. Wir erheben uns, kann man ja nicht rechtzeitig genug machen. Als der Zug hält, steigen wir aus. Ich habe es plötzlich eilig, ziehe Benno («Heee, lass dat sin») am Ärmel, drehe mich nach den Gangsta-Rappern um, dabei stehen sie bereits auf dem Bahnsteig. Sie haben eine andere Tür genommen. So blöd und aufgeregt, wie ich in den sich leerenden Zug hineinstiere, wissen sie nun, dass ich nach ihnen Ausschau halte. Als ich sie wie zufällig neben meinen beiden Freunden stehen sehe, verliere ich den Rest meines ohnehin zweifelhaften Heldenmutes.
    Klar, die werden uns gleich ausrauben. Sie werden uns alles wegnehmen, und wenn sie schon mal dabei sind, knallen sie uns gleich ab, denn sie sind mit Sicherheit bewaffnet. Oder sie sind nicht bewaffnet, aber bis unter die Mützen voll mit Crack.
    Sie wissen nicht, was sie im Rausch tun, und wahrscheinlich werden sie mich bloß aus Lust am Töten umbringen. Das hat man schon gehört aus Amerika.
    Ich sage zu Benno und Antonio: «Auf geht's» und deute Richtung Ausgang. Zum Glück scheinen meine Saurier den Ernst der Lage noch nicht begriffen zu haben, denn sie laufen ganz gemächlich dem Ausgang entgegen. Auch wieder 181
    typisch. Einer, nämlich ich, erkennt die Lage, die anderen verlassen sich darauf und drehen alle Aufmerksamkeitsreg-ler nach links. Wenn es dazu überhaupt noch kommt, werde ich es sein, der die Kerle auf der Polizeiwache beschreibt.
    Antonio und Benno werden sich hinterher kaum an deren Aussehen erinnern können, nur ich, weil ich

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