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Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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der Öffnung.
    «Lass mal die Luft aus dem Kopf raus», rät Antonio.
    «Mit den Händen zuerst», rät Pino.
    231
    Aber es nutzt nichts. Das Kind in der Vase wird allmählich panisch und brüllt wie am Spieß. Die Männer drehen ihn mitsamt der Vase um und sehen nach, ob unten eventuell auch ein Loch ist. Antonio schlägt vor, ihn einfach herauszuschütteln, aber Rosa ist dagegen.
    Schließlich wird Benno die Sache zu blöd. Er kann Kinder nicht ausstehen, und wenn sie schreien, bekommt er die Motten. Er holt einen Feuerlöscher aus der Küche und hämmert damit präzise gegen den Bauch der Vase, worauf sie zer-springt und das greinende Kind gerettet ist. Jahrelang geübt im Zertrümmern von Überraschungseiern, hat er keine Skru-pel mehr.
    Die Familie Carbone verabschiedet sich wenig später und bedankt sich für den schönen Tag. Zurück bleiben etwa zwanzig Kubikmeter Badeschaum sowie eine in Trümmer liegende Vase und die Reste eines typischen italienischen Familien-essens. Bevor wir zum Spiel gehen, haben wir noch etwas Zeit. Ich versuche, die Scherben verschwinden zu lassen, aber es sind zu viele, um sie im Klo hinunterzuspülen. Außerdem liegen die Toiletten unter Schaum, was auch Benno verdrießt.
    Ich wühle eine Weile in der Sauerei herum, aber ich bin es bald leid und beschließe, mich aus den Säuberungsarbeiten herauszuhalten. Ich ziehe mich um und lese in den herumlie-genden Einrichtungsheften, die mir für die Esszimmerstühle meines Hauses in den Hamptons in diesem Jahr mintgrüne Hussen empfehlen.
    Gegen 20 Uhr rufe ich in der Rezeption an und bestelle unseren Fahrer. Benno hat inzwischen zum Glück wieder seine Hose – dieselbe wie immer – angezogen. Franklin holt uns persönlich in unserer Suite ab. Ich verstelle ihm den Weg, damit er nichts von dem Schaum- und Scherbeninferno sieht. Ich will nicht, dass er einen falschen Eindruck von uns 232
    bekommt. Wir gehen hinunter auf die Straße und steigen ins Auto.
    «Sie haben Badeschaum hinterm Ohr, Sir», sagt Franklin diskret. Ich wische ihn ab, und er gondelt gemächlich die Fünfte hinunter, Richtung Penn Station, wo der Madison Square Garden liegt. Dort angekommen, lässt er uns aussteigen, und wir betreten die heiligen Hallen amerikanischer Unterhaltungskultur. Ich kaufe drei Clubjacken und dazu passende Mützen, denn ich will nicht unangenehm auffallen.
    Unsere Plätze sind nicht gut. Es sind auch nicht besonders gute Plätze. Es sind die besten. Erste Reihe, hinter der Spieler-bank. Wir werden fotografiert, weil man uns für wichtig hält, was Antonio sofort akzeptiert und gönnerhaft in die Kameras winkt. Fast 20 000 Menschen sitzen, futtern, pupsen und brüllen hier. Es ist atemberaubend. Benno bekommt nicht sehr viel davon mit, weil er mehrfach zur Toilette muss und erst zum Ende des Spiels konzentriert dabei ist. «Und welsche von denen sind nun die Amis?», fragt er. Die Knicks gewinnen das Match mit 110 zu 96 Punkten.
    Nach dem Spiel wartet Franklin vor dem Eingang auf uns.
    Er bringt uns zurück zum Hotel. Ich habe noch keine Lust, in unsere von einer Wanderameisenarmee zerstörten Gemächer zu gehen, und überrede Antonio und Benno zu einem Drink in der Bar auf dem Dach des Hotels. Ich entspanne mich bei einem Bier im Gegenwert eines Krefelder Drei-Gänge-Menüs und sehe in die schwarze Silhouette der Häuser ringsum. Benno und Antonio sind mal wieder in eines ihrer Privatgespräche versunken. Da habe ich keinen Zugang. Ich werde nie ergründen, worüber sie sich da leise tuschelnd unterhalten. Womöglich über mich.
    Irgendwann müssen wir wieder hinunter, hilft ja nichts. Mir graut davor, nun noch zwei Stunden lang den verdammten 233
    Schaum zu beseitigen, und ich weiß auch gar nicht, wie das gehen soll. Vielleicht kann man ihn anzünden. Als wir unsere Suite betreten, habe ich den Eindruck, es sei jemand da gewesen. Und das stimmt auch. Die Badezimmer sind vollkommen sauber, keine Spur von Schaum. Und die Vase ist auch weg.
    Es steht eine neue da, sie ist grün. Es ist, als habe ich das alles nur geträumt.
    «Siehste, das iste ein Hotel mit Diskretion und der perfezione in Service», sagt Antonio und geht ins Bett. Warum mache ich mir eigentlich immer so viele Gedanken? Benno und Antonio haben sich dazu entschlossen, auch die letzte Nacht gemeinsam in einem Zimmer zu verbringen. Reichtum macht nämlich einsam.
    Mein Bett ist breit, sehr breit, zu breit für einen allein.
    So langsam möchte ich dann auch wieder nach Hause zu

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