Jan Weiler Antonio im Wunderland
Fahrer dann doch in der Lobby. Er entschuldigt die Verspätung, man hät-te die Suite noch herrichten müssen und er wollte uns nicht abholen, ohne sich zu vergewissern, dass alles auf seinem Platz sei. Eine Suite. Na hör mal. Antonio stellt sich in Millisekunden auf seine Beförderung zur Raubtierklasse im Zirkus des Lebens ein und lässt den Fahrer seinen Koffer ins Auto schleppen. Grußlos verlässt er die Lobby des Hotels, das er erst vor wenigen Wochen mit großer Geste gebucht hat. Bennos Koffer bringt den Chauffeur schier zur Verzweiflung, ich muss ihm helfen. Die Topfpflanze und den Rauchverzehrer stellt Benno auf seinen Schoß, als der Fahrer einsteigt und losfährt.
«Wo geht's denn jetzt hin?», frage ich ihn.
«Nur ein paar Blocks weiter, Sir. Mister De Niro hat sich erlaubt, Sie im Peninsula unterzubringen.» Es klingt fast so, als hielte er das für übertrieben. Am Hotel angekommen, wieseln sofort ein paar unterwürfige Gestalten um das Auto herum und begleiten uns unter großem Sir-Sagen in die Lobby, wo die Managerin uns bereits erwartet. Benno kann ihr nicht die Hand geben, er hat ja Rauchverzehrer und Pflanze im Arm.
Aber Antonio begrüßt sie überschwenglich, gerade so, als sei er ein alter Stammgast. Er füllt das Formblatt mit seiner 224
Adresse aus, und dann sagt er tatsächlich: «Ich muss jetzt in meine Suite, bin ein wenig müde.» Zum Glück versteht die Managerin (ihre Familie kam dereinst aus Spanien, aber sie spricht kein Spanisch) ihn nicht. Sie geleitet uns persönlich nach oben. Im Aufzug drückt sie auf einen Knopf, an den sie kaum heranreicht. Es gibt übrigens keinen 13. Stock hier in Amerika. Ist mir schon öfter aufgefallen. Erst nahm ich noch an, das sei eine bauliche Schlamperei, aber nun denke ich doch, man ist hier abergläubisch. Und das, wo man doch gerade hier das Schicksal zwingt, wo es nur geht. Komisch.
Miss Hernandez öffnet die Tür unserer Suite, wo unsere Koffer bereits angekommen sind, und macht mit uns einen kleinen Rundgang. Suite ist das falsche Wort für diesen Pa-last. Er hat drei Schlafzimmer und drei Bäder, einen riesigen Wohnraum, eine eigene Küche mit einem Esszimmer und große Panoramafenster, von denen aus man einen phantastischen Blick auf die Fifth Avenue hat. Als reiche das nicht, steht auch noch ein Fernrohr vor dem Fenster, damit man sich das Gewimmel aus gelben Taxis, Bussen und Limousinen besser ansehen kann. Es ist vollkommen still hier oben. Die Suite hat zwölf Telefone und sechs Fernseher. Drei davon sind in den Wänden über den Jakuzzis eingelassen. Im Wohnzimmer steht ein Flügel. Wahrscheinlich kann man auf ihm nur Stücke von Cole Porter und George Gershwin spielen.
«Mister De Niro hat hier bis heute Morgen gewohnt», sagt die Managerin. «Er hat Ihnen einen Brief dagelassen.»
«Wo ist er denn hingegangen?», frage ich.
«Er musste abreisen.»
«Ach so?»
«Ja, er bedauert sehr, dass er nicht mehr Zeit mit Ihnen verbringen konnte.»
Der Brief liegt auf dem Esstisch, gleich neben einem Früch-225
tekorb und einer Flasche Champagner, die in frischem Eis daraufwartet, von Benno hinuntergestürzt zu werden. Miss Hernandez verlässt uns. Bevor sie die Tür hinter sich schließt, sagt sie: «Er hat die Suite bis morgen gebucht und wollte sie nicht leer stehen lassen, denke ich. Bitte benutzen Sie sie, als gehörte sie Ihnen. Nehmen Sie den Zimmerservice in Anspruch. Es wird uns ein Vergnügen sein, Ihnen dienen zu dürfen.» Dann schließt sich die Tür. Geräuschlos.
Ich gehe ins Wohnzimmer, wo meine Partner sich schüchtern auf den Rand einer fluffigen Couch niedergelassen haben.
Benno hat immer noch seine Schätze im Arm. Ich klatsche in die Hände, aber der dicke Teppich schluckt jeden Schall. Die Suite zu erobern wird einige Stunden in Anspruch nehmen.
Die Küche ist weitgehend leer, sie wird offenbar nur vom Hotelpersonal benutzt, wenn ein Superstar mit Kindern an-reist und Fläschchen benötigt werden. Die Bude ist voll gestopft mit Antiquitäten, jedenfalls sehen die Möbel danach aus. In Amerika kann man aber nie ganz sicher sein. Mit einer Fernbedienung lassen sich unterschiedliche Lichtszena-rien einstellen, für Cocktailpartys zum Beispiel, oder für ein Candlelight-Dinner oder für eine geschäftliche Besprechung.
In der Gebrauchsanweisung für diese Räume steht, dass man die Möbel und alle weiteren Gegenstände dieser Suite auch kaufen kann. Leute, die hier absteigen, fragen niemals nach dem Preis für
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