Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jan Weiler Antonio im Wunderland

Jan Weiler Antonio im Wunderland

Titel: Jan Weiler Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
Vom Netzwerk:
Lopez und bin leicht angetrunken von dem Champagner. Ich rasiere mich, ziehe saubere Sachen an und sehe nach Benno und Antonio. Benno schläft. Er hat seinen Rauchverzehrer angemacht. Antonio hingegen steht an der Panoramascheibe und sieht auf die Stadt hinab.
    «Das iste zu groß für ein kleine Mann», sagt er. Auch er hat sich frisch gemacht. Um ihn herum duftet es stark. Mein Schwiegervater ist eigentlich eine Mensch gewordene WC-Ente. Wir stehen eine Weile schweigend vor dem Fenster, dann klingelt das Telefon. Ich gehe dran. Es ist die Rezeption.
    «Sir, Ihr Besuch ist da. Darf ich die Herrschaften zu Ihnen bringen lassen?»
    «Welche Herrschaften?»
    Kurzes Gewisper auf der anderen Seite.
    «Carbone, Sir. Sie sagen, Sie seien verabredet.»
    «Ach stimmt. Ja, natürlich.» Für einen Moment hatte ich unseren Besuch vergessen. Wenig später klingelt es an der Tür. Antonio, der in Badelatschen des hauseigenen Spas unterwegs ist, lässt es sich nicht nehmen, die Carbones persön-229
    lich in seinem Heim zu begrüßen, und öffnet die Tür. Pino ist nicht alleine gekommen. Er hat seine Frau, seine Mutter, zwei seiner Brüder und deren Frauen sowie eine unübersehbare Schar von Kindern dabei. Und ziemlich viele Plastiktüten. Sie haben auch ein Geschenk mitgebracht, nämlich eine Fahne mit dem Wappen von Queens. Antonio verspricht, sie am Fahnenmast seiner Villa in Deutschland wehen zu lassen.
    Wahrscheinlich meint er damit die Birke vor seinem Haus.
    Unsere fünfzehn Freunde aus Queens inspizieren staunend, aber doch mit einer gewissen Lässigkeit, unser Heim. Sie sagen «Ah» und «Oh», und die Frauen nehmen die Gardinen in die Hand. Rosa macht sich in der Küche sofort daran, die Lebensmittel auszupacken. Ich zeige den Kids den Fernseher, die DVDs und die Playstation, welche unter großem Geschrei sofort in Betrieb genommen wird. Damit der Zuckerspiegel bei den Kindern nicht so rasch sinkt, bestelle ich für ungefähr 200 Dollar Cola beim Zimmerservice.
    Pino ist sehr angetan von unserem fürwahr märchenhaf-ten Wohlstand. Er hatte Antonio schon für einen netten Burschen, aber dann doch für einen Aufschneider gehalten, als dieser beim Grillen von seinem Reichtum erzählt hatte und von seiner Villa in Deutschland. Aber er scheint es ja nun tatsächlich zu etwas gebracht zu haben. Antonio wird den Teufel tun und Pino die Wahrheit sagen. Er wedelt mit den Knicks-Tickets vor Pinos Nase herum und erklärt ihm, dass er zur Feier des Tages und zum Abschied von New York nun noch mit seinen Schutzbefohlenen zum Baseball geht. Dass die Knicks Basketball spielen, ist ihm wurst.
    Macht auch nichts, das geht in dem Trubel unter, der nun entsteht, weil Rosa und die anderen Damen in den rosa Blu-sen das Essen auftragen. Es gibt allerhand Kleinigkeiten vom Markt, frittierte Zucchiniblüten und alle möglichen Oliven.
    230
    Später werden Nudeln gereicht, einige Fische und kleine Blät-terteigschweinereien mit süßen Cremes darin. Die Kinder amüsieren sich dufte, besonders als sie entdecken, dass die Badewannen Luftdüsen haben. Es lässt sich auf diese Weise bereits unter Einsatz von sehr wenig Badezusatz eine schon hollywoodmäßige Menge an Schaum fabrizieren, und zwar in allen drei Bädern.
    Es ist ein sehr spaßiger Nachmittag, sogar für mich, denn ich trage hier nicht die Verantwortung. Robert De Niro ist schließlich Antonios Kumpel und nicht meiner. Es geht dann auch fast nichts kaputt, außer einer riesigen Vase, in der sich der achtjährige Tinto Carbone vor seinem Bruder versteckt hat. Der findet ihn nicht, überhaupt findet ihn niemand, auch seine Mutter und die Schwägerinnen sowie sämtliche Väter.
    Es macht sich gerade eine gewisse Hysterie breit, als Benno verschlafen ins Wohnzimmer kommt. Er trägt eine braunweiß gestreifte Unterhose, was ein grauenhafter Anblick und echt keine Werbung für die deutsche Unterhosenindustrie ist, und er versteht die ganze Unruhe nicht.
    «Benno, hast du irgendwo einen achtjährigen Jungen gesehen?», frage ich ihn.
    «Nä. Aber dahinten stehtene heulende Blumenvase.» Er zeigt auf seine Zimmertür, und tatsächlich dringen aus der schwarzen Vase, die neben dem Eingang auf dem Flur steht, verzweifelte Laute. Tinto hat sich mit dem ganzen Körper dort hineingewurstelt und kommt jetzt nicht mehr raus.
    Sein Vater Osvaldo, Polizist in Brooklyn und Bruder von Pino, fordert ihn ultimativ dazu auf, die Vase zu verlassen, aber Tinto kann nicht. Er bekommt den Kopf nicht mehr aus

Weitere Kostenlose Bücher