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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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von Ruhe oder Sicherheit kam über mich. Gegen Morgen regnete es. Der ganze folgende Tag war nasskalt. Bitte mich nicht, lieber Leser, dir genauen Bericht über diesen Tag abzustatten; wie zuvor suchte ich Arbeit, wie zuvor wurde ich abgewiesen, wie zuvor hungerte ich. Nur einmal kam Nahrung über meine Lippen: An der Tür einer Hütte sah ich ein kleines Mädchen, das dabei war, einen Klumpen aus kaltem Haferbrei in den Schweinetrog zu schütten.
    »Willst du mir das nicht geben?«, bat ich.
    Sie starrte mich an.
    »Mutter«, rief sie dann aus, »hier ist eine Frau, die möchte, dass ich ihr den Porridge gebe.«
    »Nun denn, Mädchen«, erwiderte die Stimme von drinnen, »gib ihn ihr, wenn es eine Bettlerin ist. Das Schwein mag ihn eh nicht.«
    Das Mädchen schüttete den steifen Brei in meine Hand, und ich verschlang ihn gierig.
    Als die nasskalte Dämmerung herabsank, hielt ich auf einem einsamen Reitweg inne, den ich schon seit mehr als einer Stunde verfolgt hatte.
    ›Meine Kräfte verlassen mich jetzt gänzlich‹, sagte ich zu mir selbst. ›Ich fühle, dass ich nicht viel weiter gehen kann. Werde ich diese Nacht wieder eine Ausgestoßene sein? Muss ich mein Haupt auf den kalten, durchweichten Erdboden legen, während der Regen in Strömen herabfließt? Ich fürchte, es wird mir nichts anderes übrig bleiben, denn wer sollte mich aufnehmen? Aber es wird furchtbar sein; mit diesem Gefühl des Hungers, der Ohnmacht, der Kälte, der Trostlosigkeit – dieser vollständigen Vernichtung aller Hoffnung. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich noch vor Tagesanbruch sterben. Und weshalb kann ich mich denn nicht mit der Aussicht auf den Tod versöhnen? Weshalb kämpfe ich, um ein so wertloses Leben zu erhalten?Weil ich weiß oder glaube, dass Mr. Rochester noch lebt! Und weil die menschliche Natur sich dem Schicksal, vor Hunger und Kälte zu sterben, nicht ruhig unterwirft. O Vorsehung! Halte mich nur noch ein wenig länger aufrecht! Hilf mir, führe mich!‹
    Mein trübes Auge schweifte über die neblige, verschwommene Landschaft. Ich sah, dass ich weit vom Dorf fortgeirrt war; es war meinen Blicken gänzlich entschwunden. Auf Abzweigungen und Nebenpfaden war ich noch einmal dem Moorland nahe gekommen, und jetzt lagen nur noch wenige Äcker, die fast ebenso wild und unfruchtbar waren wie die Heide, der sie vor kurzem erst abgerungen, zwischen mir und den nebligen Bergen.
    ›Nun, ich will lieber dort drüben sterben, als an der Landstraße oder an einem verkehrsreichen Weg‹, dachte ich. ›Und besser, viel besser, dass Krähen und Raben – wenn es überhaupt Raben in diesen Regionen gibt – das Fleisch von meinen Knochen nagen, als dass meine Gebeine in einen Armenhaussarg gelegt werden und in einem Schachtgrabe vermodern.‹
    So wandte ich mich also den Bergen zu und erreichte sie auch. Jetzt blieb mir nur noch übrig, eine Höhle zu finden, in der ich mich verborgen, wenn auch nicht sicher fühlen konnte. Aber die ganze Oberfläche der Gegend sah nicht danach aus. Es gab nur den farblichen Wechsel zwischen grün, wo Binsen und Moose den Sumpfboden bedeckten, und schwarz, wo der trockene Erdboden nichts trug als Heidekraut. Obgleich es bereits dunkel wurde, konnte ich diese Unterschiede gerade noch wahrnehmen, wenn sie sich auch nur als Abwechslung zwischen Licht und Schatten darstellten, denn die Farben waren mit dem Tageslicht geschwunden.
    Mein Auge schweifte noch über die düsteren Anhöhen und am Rand des Torfmoors entlang, das sich in Wildnis auflöste, als plötzlich an einem entfernten Punkt, weit entferntzwischen den Mooren und Höhen, ein Licht aufblitzte. ›Ein
ignis fatuus
, ein Irrlicht‹, war mein erster Gedanke, und ich erwartete, dass die Erscheinung bald wieder verschwinden würde. Das Licht brannte indessen stetig; es kam weder näher, noch entfernte es sich. ›Ist es vielleicht ein gerade entzündetes Feuer?‹, fragte ich mich, und versuchte zu erkennen, ob es sich weiter ausdehnen würde. Aber nein, so wenig, wie es größer wurde, verkleinerte es sich. ›Es wird Kerzenschein aus einem Haus sein‹, vermutete ich dann, ›aber wenn dies auch der Fall ist, so werde ich es doch nimmer erreichen können. Es ist viel zu weit entfernt. Und selbst wenn es nur einen Meter von mir wäre, was könnte es nützen? Ich würde doch nur an die Tür klopfen, um zu sehen, wie sie vor mir geschlossen wird.‹
    Und ich sank zusammen, wo ich stand, und drückte mein Gesicht gegen den Erdboden. Eine Weile

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